Sprache ist arbiträr

Sprache ist arbiträr – was bedeutet das für’s Lernen?

Ferdinand de Saussure ist der Begründer der modernen Linguistik und prägte eine Aussage, die man heutzutage im ersten Semester an der Uni lernt: “Sprache ist arbiträr”. Aber was bedeutet das genau? Und warum ist es so wichtig, wenn es darum geht, eine Fremdsprache zu lernen?

Was bedeutet “arbiträr”?

Diese Aussage bedeutet, dass Sprache willkürlich ist. Sie folgt keinen naturgegebenen Regeln. Wir sagen Dinge so, wie wir sie sagen, weil wir uns darauf geeinigt haben. Eine Katze nennen wir Katze, weil wir irgendwann beschlossen haben, diese faulen Fellknäuel als “Katze” zu bezeichnen. Aber eine Katze an sich hat keine Eigenschaft, die uns dazu veranlasst, sie mit genau dieser Buchstabenkombination zu benennen.

Das Gleiche gilt für Sätze: Wir sagen zum Beispiel “Ich lerne eine Sprache!” und nicht etwa “Ich eine Sprache lerne!”, da wir uns irgendwann einfach auf eine bestimmte Wortstellung geeinigt haben und uns so gut es geht daran halten.

Natürlich gibt es Sprachentwicklung. Aber auch diese folgt keinem Naturgesetz. In erster Linie folgt sie unserer eigenen Bequemlichkeit: Immer wieder wird etwas verkürzt, anderes fällt weg. Manchmal setzen sich Menschen bewusst oder unbewusst über Regeln hinweg, die wir für “richtig” halten. Und wenn genügend Menschen mitmachen, verändert sich die Art und Weise, wie wir Dinge sagen.

Was bedeutet das für das Lernen?

Jede Sprache folgt diesem Prozess unabhängig voneinander. Das bedeutet, dass eine Sache, die wir im Deutschen auf eine bestimmte Art und Weise ausdrücken, in einer anderen Sprache völlig anders ausgedrückt werden kann. Dies trifft insbesondere auf Sprachen zu, die nicht direkt miteinander verwandt sind und deren Sprecher im Laufe der Geschichte nur wenig Kontakt miteinander hatten. Bei näher verwandten Sprachen fällt es vor allem bei Sprichwörtern auf.

“There the dog in the pan becomes crazy!” ist beispielsweise eine wörtliche und grammatisch korrekte Übersetzung unseres Sprichworts “Da wird der Hund in der Pfanne verrückt!” Doch wenn du es in einem englischsprachigen Land verwendest, wird dich niemand verstehen. Der einzige Grund dafür ist, dass man es im Englischen einfach nicht so sagt.

Gerade bei der japanischen Sprache ist es nun so, dass du zwar viele Dinge auf diese Art und Weise 1:1 vom Deutschen übersetzen könntest, aber dann würde dich niemand mehr verstehen. Denn im Japanischen hat man sich ganz willkürlich dafür entschieden, Dinge anders auszudrücken. Und in einer Sprache, die so weit vom Deutschen entfernt ist, gilt das schon für die einfachsten Aussagen, nicht nur für Sprichwörter.

Fremdsprache über Grammatik lernen? Das klappt nicht!

Die Konsequenz für dich als Lerner ist: Es bringt relativ wenig, eine Fremdsprache zu lernen, indem man Grammatikregeln paukt. Leider ist das aber genau der Weg, den die meisten Japanischlehrbücher und auch Sprachkurse gehen. Sie versuchen, Regeln zu finden, nach denen man von einer willkürlichen Äußerung in einer Sprache zu einer willkürlichen Äußerung in einer anderen gelangen kann.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass das nicht gut funktioniert, es sei denn, du definierst für fast jeden Satz eine eigene Ausnahmeregel. Denn die Grammatik kann dir nur erklären, wie eine Sprache in sich funktioniert. So hilft sie zwar, die Bedeutung eines Satzes zu verstehen, aber sie funktioniert nicht sprachübergreifend.

Ein Beispiel auf Japanisch: Du könntest sagen 山に行く (Yama ni Iku, auf den Berg gehen) und erklären, dass 山 “Berg” bedeutet, に eine Partikel ist, die das Ziel einer Handlung angibt, und 行く “gehen” bedeutet. Man muss aber schon bedenken, dass solche direkten Übersetzungen oft nur Annäherungen an die eigentliche Bedeutung des Wortes sind. Die genaue Bedeutung kann man nur in einsprachigen Wörterbüchern nachschlagen.

Aber wenn man das jetzt ins Deutsche übersetzt, dann kommt so eine komische Übersetzung heraus wie “Berg-Ziel gehen”. Das versteht dann wieder kaum jemand. Weil wir uns entschieden haben, die gleiche Idee anders auszudrücken. Wenn du dagegen eine Übersetzung machst, die im Deutschen gut klingt wie “Ich gehe zum Berg”, dann interpretierst du schon die Informationen, die du aus dem Japanischen bekommen hast. Nicht umsonst spricht man im Regelfall von “Lokalisation” statt “Übersetzung”. Denn du kannst keine allgemeingültige Regel finden, nach der du von der Aussage “Berg-Ziel gehen” zu “Ich gehe zum Berg” kommst. Dafür sorgt schon das im Japanischen nicht erwähnte Subjekt, das kontextabhängig ist. In einer anderen Situation kann derselbe Satz bereits “Du gehst zum Berg” bedeuten.

Wie umgehst du das Problem?

All das sind Gründe, warum du an das Erlernen einer Fremdsprache anders herangehen musst, als die meisten Leute denken. Sich mit einem Lehrbuch hinzusetzen, Vokabelkarten zu pauken oder Kurse zu besuchen, kann dir nämlich niemals erklären, wie du jeden einzelnen Satz auf Japanisch sagen würdest. Um das herauszufinden, brauchst du vor allem eines: Erfahrung.

Du musst im Laufe der Zeit selbst mitbekommen, was man in einer Fremdsprache wie sagt. Und das geht nur, wenn du viel in der Sprache, die du lernen willst, liest, hörst und übersetzt. Mit der Zeit verfestigt sich dann in deinem Kopf: “Diesen Gedanken drücke ich in dieser Sprache so aus!” Aber du wirst deine Muttersprache nicht mehr als Ausgangspunkt benutzen.

Diese Erfahrung ist zudem die Grundlage, um selbst Sätze bilden zu können – ein Aspekt, der in vielen Kursen oft vernachlässigt wird, die dir z.B. die Sprache für den Urlaub beibringen wollen. Das funktioniert einfach nicht, denn dein Gegenüber wird nicht verstehen, was du auf der Grundlage deiner Muttersprache und grammatischer Regeln bildest, und du selbst wirst Schwierigkeiten haben, mit der darauf folgenden Antwort umzugehen. Entsprechend kannst du dir die Zeit und das Geld für derartige Kurse sparen, denn sie bringen dir nichts.

Wie genau du das Unterfangen stattdessen angehen solltest, erfährst du in meinem vollständig kostenlosen Sprachkurs. Er ist speziell auf Japanisch ausgerichtet, aber die Informationen können dir auch bei jeder anderen Sprache helfen, die du lernen möchtest.

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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