Die KI ChatGPT hat ein extrem umfangreiches Wissen über Sprachen. Immerhin ist es ihr Ziel, natürlich klingende Texte zu verfassen. Aber wie gut eignet sie sich, um mit ihr Japanisch zu lernen?
ChatGPT als Lehrer: Ich habe ein Experiment gewagt und ChatGPT dazu aufgefordert, mir Japanisch beizubringen. Da ich einen Grammatikguide zu der Sprache verfasse, kenne ich deren Regeln gut und kann einschätzen, wie akkurat die Erklärungen der KI sind. Wenn die KI Fehler macht, verlinke ich im Artikel stets zu den jeweiligen Kapiteln meines Guides, wo du dir genau ansehen kannst, wie die jeweilige Grammatik wirklich funktioniert.
So prüfe ich die KI
Wie du laut ChatGPT am besten lernst
Das Gespräch mit der KI fange ich sehr einfach an und frage sie, ob sie mir Japanisch beibringen kann. Die Antwort ist sehr positiv, aber sie macht mich auch auf einige ihrer Schwächen aufmerksam. Deswegen empfiehlt sie mir auch Kurse und Bücher. Von beiden würde ich übrigens abraten. Ich machte keine guten Erfahrungen mit Kursen und auch fielen mir viele Fehler in Lehrbüchern auf.
Gleichzeitig gibt mir die KI aber auch einen allgemeinen Plan, wie du beim Lernen vorgehen solltest. Der sieht wortwörtlich folgendermaßen aus:
- Erlernen des japanischen Alphabets: Das japanische Alphabet besteht aus Hiragana, Katakana und Kanji. Hiragana und Katakana sind Silbenschriften, während Kanji aus chinesischen Schriftzeichen besteht. Es ist empfehlenswert, mit Hiragana und Katakana zu beginnen, da diese Schriftzeichen am häufigsten verwendet werden und es dir ermöglichen, Wörter und Sätze auf Japanisch zu lesen und zu schreiben.
- Grundlegende Grammatik: Japanische Grammatik unterscheidet sich stark von der westlichen Grammatik, daher ist es wichtig, sich mit den Grundlagen vertraut zu machen. Zum Beispiel ist das Subjekt im Japanischen oft impliziert und nicht explizit ausgedrückt.
- Wortschatz: Der Aufbau eines Wortschatzes ist entscheidend, um Japanisch sprechen und verstehen zu können. Beginne mit einfachen Wörtern und Sätzen, die du im Alltag verwenden kannst, wie z.B. Grüßen, sich vorstellen oder nach dem Weg fragen.
- Hören und Sprechen: Übe das Hörverständnis und das Sprechen, indem du dir japanische TV-Shows, Filme oder Musik anhörst und mit anderen Japanischlernenden oder Muttersprachlern übst.
Ich stimme zu! Der Ablauf ist prinzipiell das, was ich auch in meinem eigenen Kurs für Japanisch empfehle. Interessanterweise empfiehlt die KI gar das Lernen mit Immersion. Allerdings hauptsächlich beim Hören und Sprechen. Beim genaueren Nachhaken, empfiehlt sie aber auch, japanische Texte zu lesen oder Japanisch anzuwenden, um lesen und schreiben zu lernen.
Grammatikerklärungen einer KI
Jetzt will ich es aber genau wissen. Von einem gigantischen Sprachmodell erwarte ich, dass es durchaus gut mit Sprachen vertraut ist. Also will ich Grammatikerklärungen bekommen! Auch hier gibt sie mir erstmal wieder einen Überblick, den ich dir an dieser Stelle wieder direkt von der KI reinkopiere:
- Die japanische Satzstruktur: Die grundlegende Satzstruktur im Japanischen lautet “Thema-Objekt-Verb”. Das bedeutet, dass das Thema des Satzes zuerst genannt wird, gefolgt vom Objekt und dann vom Verb. Zum Beispiel: 私はりんごを食べます (watashi wa ringo o tabemasu) bedeutet “Ich esse einen Apfel”.
- Partikel: Im Japanischen werden Partikeln verwendet, um die Funktion von Wörtern im Satz zu kennzeichnen. Zum Beispiel wird “wa” verwendet, um das Thema im Satz zu kennzeichnen, während “o” das direkte Objekt anzeigt. Andere wichtige Partikeln sind “ni” für den Ort, “de” für das Mittel oder Werkzeug, und “kara” für den Ursprung oder die Herkunft.
- Verben: Verben im Japanischen ändern ihre Form, um die Zeit und Höflichkeitsstufe anzuzeigen. Die Grundform des Verbs endet normalerweise auf “u”, z.B. “taberu” (essen), “nomu” (trinken) oder “iku” (gehen). Wenn das Verb in der Vergangenheit steht, wird das “u” zu “ta” geändert, z.B. “tabeta” (hat gegessen), “nonda” (hat getrunken), “itta” (ist gegangen).
- Adjektive: Im Japanischen gibt es zwei Arten von Adjektiven: i-Adjektive und na-Adjektive. I-Adjektive enden normalerweise auf “i” und ändern ihre Form nicht, während na-Adjektive nach dem Substantiv, das sie beschreiben, das Partikel “na” erhalten. Zum Beispiel bedeutet “atsui” heiß (i-Adjektiv) und “genki na” bedeutet energiegeladen (na-Adjektiv).
- Höflichkeitsebenen: Im Japanischen gibt es verschiedene Ebenen der Höflichkeit, die durch verschiedene Ausdrücke und Verben ausgedrückt werden. Zum Beispiel gibt es höfliche Verben wie “tabemasu” (essen) oder “ikimasu” (gehen), die in formelleren Situationen verwendet werden, während informelle Verben wie “taberu” oder “iku” in informellen Situationen verwendet werden.
Die Erklärungen klingen auf den ersten Blick gut, allerdings fallen mit hier bereits die ersten Fehler auf. Aber der Reihe nach:
Was stimmt bei der Satzstruktur nicht?
は markiert ein Subjekt? Direkt bei der Satzstruktur fällt ChatGPT bereits in die selbe Falle, wie alle mir bekannten Lehrbücher. Sie behandelt das Thema des Satzes nämlich als Subjekt. Das wird auch bei ihrer Übersetzung ersichtlich. Allerdings sind Partikel der Kernpfeiler der japanischen Satzstruktur, weswegen es sehr wichtig ist, sie auseinanderzuhalten. An sich hat die KI auch bei weiteren Nachfragen sehr große Probleme damit, die Partikeln は und が zu unterscheiden und versucht immer wieder darauf zu beharren, dass ersteres ein Subjekt markieren kann.
Wie funktioniert es wirklich? Die grundlegende Satzstruktur lautet Subjekt – Objekt – Verb. Das Subjekt ist im Japanischen jedoch sehr häufig unsichtbar. は hingegen kennzeichnet ein Thema und legt den Fokus auf das, was nach ihm kommt. Das Subjekt wird allerdings immer mit が markiert. Doch auch, wenn du es nicht sehen kannst, ist es in der logischen Satzstruktur vorhanden.
Stimmen die restlichen Partikeln? Die Bedeutung von を, に und で stimmen zum Großteil. Obwohl die Ortsangabe auch nur eine Funktion von に ist, die nur durch Lokalisation entsteht. Denn ganz allgemein bezeichnet diese Partikel immer ein Ziel.
Die Probleme mit den Wortarten
Japanische Verben konjugiert man nicht: Bei den Verben versteckt sich ein kleiner, aber durchaus wichtiger Fehler. Die KI erklärt, dass man für die Vergangenheitsform das う am Ende zu た ändert. Das Problem hierbei ist, dass eine Änderung eine Konjugation impliziert. Japanische Verben lassen sich jedoch nicht derartig konjugieren. Bei den Höflichkeitsebenen hingegen bezeichnet sie 食べます (tabemasu) und 食べる (taberu) gar als unterschiedliche Verben, obwohl beides “essen” bedeutet. Das ist wie zu behaupten, dass “ich esse” und “ich habe gegessen” unterschiedliche Verben seien.
Wie funktioniert es wirklich? Im Japanischen kombinierst du Verben mit Hilfsverben- und Adjektiven. ます (masu) ist etwa eines dieser Hilfsverben, die ein Wort höflicher machen. た hingegen eines, das Vergangenheit kennzeichnet. Die Unterscheidung ist wichtig, da manche Hilfsworte und das eigentliche Verb verschiedene Akteure haben können. Das wird nicht ersichtlich, wenn du von einer Konjugation ausgehst.
Keine zwei Arten von Adjektiven! Bei den Adjektiven spricht sie davon, dass es い (i)- und な (na)-Adjektive gibt. Allerdings sind letztere nur Substantive in adjektivischer Verwendung. 234Interessanterweise erkennt sie aber durchaus, dass な immer in Kombination mit einem Substantiv steht. Allerdings mit einer Erklärung, die ein wenig verwirrend wirkt.
Versteckt die KI Wissen?
Für die wahre Feuerprobe will ich von der KI erfahren, wie ich ein Verlangen ausdrücken kann. Um ein lebensnahes Beispiel zu bekommen, frage ich sie, wie ich “Ich mag Pizza.” sagen kann. Ihre Antwort:
Um auszudrücken, dass du etwas magst, kannst du normalerweise das Verb “好き” (suki) verwenden. “好き” drückt aus, dass etwas “gemocht” oder “gern” getan wird. Ein Beispiel, um auszudrücken, dass du Pizza magst, wäre:
- ピザが好きです。 (Piza ga suki desu.) – “Ich mag Pizza.”
Ein Verb? Das überrascht. Denn ich habe nicht erwartet, mit der Ansage, 好き sei ein Verb konfrontiert zu werden. Immerhin enden alle Verben im japanischen Enden auf ein Zeichen, das mit unserem u-Laut endet. Gleichzeitig erkennt ChatGPT die Pizza aber durchaus als Subjekt. Nur stimmt dann etwas nicht: Ein Verb wie “mögen” benötigt ein direktes Objekt. Du siehst hier aber recht eindeutig einen Satz mit der Form “A ist B”.
Überraschung bei der Nachfrage: Also hake ich mal ganz unschuldig nach und frage, ob 好き ein う (u)- oder る (ru)- Verb ist. Denn das sind die beiden Arten von Verben des Japanischen. Darauf erklärt sie mir korrekt, dass 好き kein Verb ist, es aber keine gute Entsprechung im Deutschen gibt. Das Beispiel “ピザが好き” versucht sie dann als “Pizza ist lieb” zu übersetzen. Was zwar nicht ganz korrekt ist, aber zumindest in die richtige Richtung geht. Das überrascht mich durchaus positiv. Denn hier ist sie bereits einen Schritt vor Lehrbüchern. Alle mir bekannten verschweigen dieses Wissen immer. Ganz korrekt wäre aber “mögen-auslösend” gewesen.
Totalausfall
Weiß die KI vielleicht mehr? Nach dieser Erkenntnis hake ich noch etwas weiter nach und lenke das Thema auf das Hilfsadjektiv für die Verneinung ない (nai). Dafür werd ich ganz und frage, ob es nicht ein Adjektiv ist. Immerhin endet es auf い (i) und nicht auf う (u) oder る (ru) wie alle Verben. Und prompt erklärt sie mir:
In der Negativform sieht das Verb wie ein Adjektiv aus, da es auf “い” endet. Das liegt daran, dass das Suffix “ない” eigentlich ein Adjektiv ist, das “nicht vorhanden” oder “nicht sein” bedeutet.
Die KI brennt durch: Letztendlich beteuert ChatGPT jedoch, dass man die Kombination eines Verbes mit ない als Verb ansehen sollte und meint, dass es die gleiche Funktion wie ます hat. Eine durchaus interessante Behauptung. Die ist jedoch selbst nach der klassischen Lehrbucherklärung falsch. Und hier kann ich die KI nichtmal mit einer erneuten Nachfrage zur Korrektur bewegen.
Was sagt ChatGPT zu japanischen Konjugationen?
Versteht die KI Hilfsverbkombinationen? Allerdings gebe ich noch nicht auf und will genau wissen, ob sich die KI der Verwendung von Hilfsadjektiven und Hilfsverben im Japanischen bewusst ist. Also befrage ich sie explizit zur Konjugation und lege den Fokus auf die Konditionalform. Mit wenig Erfolg. Auch nach mehrmaligen Nachfragen bleibt sie bei der Ansicht: Im Japanischen wird konjugiert.
Ich muss direkt werden: Im Gegensatz zu 好き bekomme ich hier erst eine Zustimmung, als ich explizit darauf hinweise, dass ば (ba) und れば (reba), die so viel wie “wenn” bedeuten, in japanischen Grammatiken als Hilfsverben bezeichnet werden. Allerdings bin ich mir jetzt unsicher, ob sie mir einfach nur aus Prinzip meiner Behauptung zustimmt.
Hat der Nutzer immer recht? Das überprüfe ich, indem ich etwas komplett abwegiges behaupte. Die Frage, ob es sich nicht doch um Substantive handelt, verneint sie dann aber korrekterweise auch nach mermaligen Nachhaken vehement.
Kann dir die KI Übungen generieren?
Bei den Grammatik-Erklärungen gibt es also durchaus Probleme. Allerdings ist es ja auch möglich, die KI anderweitig zu nutzen und dir etwa Übungsaufgaben erstellen zu lassen. Also bat ich ChatGPT zunächst um einige Partikelübungen und erhielt die folgenden:
Fülle die Lücken aus: Ergänze die folgenden Sätze mit den richtigen Partikeln.
a. 私_日本_行きます。 (watashi _ Nihon _ ikimasu)
b. 彼_車_持っています。 (kare _ kuruma _ motteimasu)
c. これ_ペン_です。 (kore _ pen _ desu)Übersetze: Übersetze die folgenden Sätze vom Deutschen ins Japanische.
a. Ich gehe zum Park.
b. Der Apfel ist rot.
c. Ich habe einen Hund.Markiere die Partikeln: Markiere die Partikeln in den folgenden Sätzen.
a. 日本語_勉強_難しいです。 (Nihongo _ benkyou _ muzukashii desu)
b. 私昨日_友達_会いました。 (watashi kinou _ tomodachi _ aimashita)
c. これ誰_傘_ですか?(kore dare _ kasa _ desu ka)
Danach bat ich sie um eine Leseübung, worauf sie mir das ausspuckte:
Klar, hier ist eine kurze Leseübung auf Japanisch:
「あの子は本当に可愛いね」と彼女が言った。
「誰?」彼が聞いた。
「あの公園で遊んでいる女の子よ」と彼女は答えた。
「ああ、あの子ね。確かに可愛いね」と彼が言った。In Romaji:
“Ano ko wa hontou ni kawaii ne” to kanojo ga itta.
“Dare?” kare ga kiita.
“Ano kouen de asonde iru onna no ko yo” to kanojo wa kotaeta.
“Aa, ano ko ne. Tashika ni kawaii ne” to kare ga itta.Übersetzung:
“She’s really cute,” she said.
“Who?” he asked.
“The girl playing in the park,” she answered.
“Oh, her. She’s definitely cute,” he said.
Stimmen die Aufgaben? Diese Übungen sind korrekt und durchaus zu gebrauchen. Mit der besonderen Schwierigkeit, dass du auch Lücken hast, wo gar nichts reinkommt. Im gezeigten Beispiel gibt dir die KI zudem keine Antwortmöglichkeiten, wodurch du wirklich selbst über die richtigen Partikeln nachdenken musst. Ich hatte jedoch auch Fälle, wo sie mir Vorgaben lieferte. Allerdings fehlte bei der Auswahl oft die richtige Antwort. Entsprechend solltest du die Vorschläge der KI sowieso ignorieren.
Menschliche Kontrolle ist wichtig: Die KI versagt dann aber direkt darauf bei der Korrektur. Als ich sie frage, ob der eindeutig falsche Satz “私で日本に行きます。” korrekt ist, erklärt sie mir felsenfest, dass er stimmt. Entsprechend solltest du deine Lösungen lieber von echten Menschen mit einer App wie HiNative überprüfen lassen. Die würden zudem auch sehen, wenn die KI die Übungsaufgabe schon falsch gestellt hat.
Lohnt ChatGPT zum Japanisch lernen?
Die KI weiß mehr, als sie dir sagt: Im Großen und Ganzen ist die KI besser als ein Lehrbuch, auch wenn sie viele der gleichen Fehler macht. Im Gegensatz zu Lehrbüchern ist sie aber durchaus im Besitz eder korrekten Erklärungen. Die gibt sie dir aber erst, wenn du explizit danach fragst.
Das große Problem: Um zu lernen, musst du dich auf die Informationen verlassen können, die sie dir nennt. Denn als Anfänger wird dir oft noch der Einblick in die Grammatik fehlen, um die richtigen Fragen stellen zu können. Und selbst, wenn du eine korrekte Antwort erhältst, kannst du dir nicht sicher sein, ob sie wirklich stimmt.
Empfehlen kann ich sie nicht: Aufgrund der vielen Fehler, die die KI derzeit noch macht, würde ich davon abraten, mit ChatGPT Japanisch zu lernen. Wirf stattdessen lieber einen Blick in meinen Grammatik-Guide. Der ist genauso kostenlos, führt dich aber durch den kompletten Lernprozess und erklärt dir die Grammatik aus der Sicht von Japanern:
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.