Sprache lernen - In welche Richtung?

In welche Richtung solltest du eine Sprache lernen?

Ich habe meinen Artikel zum Vokabeln lernen aktualisiert. Warum ich daraus gleich eine Kolumne mache? Weil ich eine oft gestellte Frage um einen kleinen Aspekt erweitert habe, den ich hier näher erläutern möchte: In welche Richtung soll man eine Sprache lernen?

Was ist die Lernrichtung? Die Frage dreht sich darum, ob du Vokabeln am besten lernst, indem du dir das Wort in deiner Muttersprache ansiehst und über die Übersetzung in deiner Zielsprache nachdenkst, oder ob du dir das Wort in deiner Zielsprache ansiehst und überlegst, was es in deiner eigenen bedeutet.

Meine ursprüngliche Annahme: Lange Zeit dachte ich, dass die Lösung hier ganz einfach ist: in beide Richtungen lernen! Doppelt hält besser und schließlich will ich ja auch Sätze bilden. Aber neulich habe ich einige Immersionslerner gefragt, wie sie das machen. Und eine einfache Erklärung machte mir eines klar: Ich lag falsch!

Klare Antwort: Von Zielsprache zu Muttersprache!

Eindeutiger Kurs: Immersionslerner an sich gehen am ehesten von der Zielsprache zur Muttersprache. Klar. Es ergibt erst einmal Sinn. Wenn du Immersion betreibst, bist du am Anfang sowieso hauptsächlich mit dem Input beschäftigt und wirst eher selten selbst Sätze in deiner Zielsprache bilden.

Eine fiese Anfängerfalle: Allerdings gibt es einen tiefergehenden Punkt, den ich selbst bereits oft ansprach. Auf dem gar meine gesamten Erklärungen des Japanischen basieren. Den ich bisher aber noch nie auf Vokabelkarten anwendete. Da sah ich wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht … oder die Sprache vor lauter Worten. Denn zwar kannst du eine bestimmte Bedeutung in jeder Sprache der Welt rüberbringen, allerdings gibt es dabei starke Unterschiede in der Wortwahl und Grammatik.

Ein Beispiel: Auf Deutsch würden wir etwa sagen “Ich mag Kuchen.” Doch wenn du die gleiche Bedeutung nun auf Japanisch wiedergeben willst, kannst du nicht einfach jedes einzelne Wort in sein japanisches Gegenstück übersetzen. Direkt von der anderen Seite rangegangen: Würdest du jedes Wort des japanischen Satzes mit dieser Bedeutung 1:1 übersetzen, würde er “Kuchen ist mögen-auslösend” heißen. An dieser Übersetzung erkennst du, wie schnell du in deiner Zielsprache unnatürlich klingen würdest.

Moment! Das Problem hat zwei Richtungen!

Wieso klappt Zielsprache zu Muttersprache? Mein Beispiel zeigt bereits, dass dieses Problem natürlich in beide Richtungen besteht. Warum ist also ausgerechnet der Weg in die Muttersprache unproblematisch? Ganz einfach: Weil du in deiner Muttersprache weißt, wie ein natürlicher Satz aussieht und welche Möglichkeiten du hast, einen Gedanken auszudrücken. Dieses Gefühl fehlt dir, wenn du eine Fremdsprache lernst.

Sprachverständnis ist keine Übersetzung: Der Kern des Problems ist, dass Sprachverständnis und Übersetzung zwei verschiedene Dinge sind. Du kannst jedes Wort eines Satzes übersetzen, ohne seine Bedeutung zu verstehen. Gleichzeitig kannst du einen Satz in einer fremden Sprache verstehen, ohne ihn sauber in deiner Muttersprache wiedergeben zu können. Es bringt dir also nichts, wenn du jedes Wort deiner Muttersprache einzeln übersetzen kannst.

Ergebnisse variieren von Sprache zu Sprache: Natürlich ist das nicht bei jeder Sprache sofort der Fall. Und je ähnlicher die Sprachen sind, desto eher wirst du mit einer 1:1-Übersetzung Erfolg haben. Aber es wird nicht immer funktionieren und sollte auch nicht das Ziel deines Spracherwerbs sein.

Wie soll man den Output lernen?

Ein unmögliches Unterfangen? Nun stellt sich natürlich die Frage, wie du dann jemals natürlichen Output richtig lernen sollst. Also das Schreiben und Sprechen, wo du selbst Sätze bilden musst. Denn dafür musst du eigentlich komplett neue Worte mit ihrer ganz eigenen Bedeutung lernen.

Vom Input zum Output: Der Trick dabei ist, dass der Output letztendlich nur die Replikation von Input ist. So lernten wir bereits unsere Muttersprache als Kind. Ein Kind kann eher verstehen, was man ihm sagt, als es selbst Worte verwenden und Sätze bilden kann. Und genauso musst du bei Fremdsprachen vorgehen: Du musst erst immer und immer wieder lesen und hören, wie natürliche Sätze aussehen und genutzt werden, eh du damit beginnen kannst, sie selbst zu äußern und auch Worte in ihnen auszutauschen, um deine eigenen Gedanken zu formulieren.

Es ist Aufwand: Das ist auch eine der großen Schwierigkeiten beim Lernen einer Fremdsprache. Grammatisch kann ich dir etwa bei Japanisch lange erklären, wie du Worte mit einer Verbindungsform kombinieren kannst. Welche du wie verbindest, was sie dadurch bedeuten und was nicht funktioniert, ist hingegen Erfahrung.

Das große Ziel: Beim Lernen des Outputs ist es zudem nicht dein Ziel, dass du einen Gedanken in deiner Muttersprache übersetzen kannst. Das musst du auch nicht, da du hier selbst zur Quelle der Sprache wirst. Stattdessen musst du eine Idee in deiner Zielsprache formulieren. Du willst also nicht darüber nachdenken, was “Ich mag Kuchen” auf Japanisch bedeutet sondern direkt sagen: “ケーキが好き!”

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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