Japanischkurs
Grammatikpunkte

Wieso “Grammar Points” nur verwirren

Wer Japanisch lernt, wird gerne mit sogenannten “Grammar Points” bombardiert. Und das ist etwas, was eigentlich mehr verwirrt als hilft. Denn die Aussage ist immer nur: “Hier hast du eine Satzkonstruktion. Lern die einfach auswendig!” und die eigentliche Grammatik dahinter wird ignoriert.

Das Ergebnis: In der Regel sitzen die Lerner da und fragen sich: “Aber warum muss ich hier jetzt das verwenden und nicht das?” Wobei die Antwort auf der Basis des “Grammar Point” schlicht lautet: “Weil man es so macht.”

Grammar Points erklären keine Grammatik!

Die Idee hinter den “Grammar Points” ist: “Wir fassen hier Dinge zusammen und erklären, was sie im Westen bedeuten, damit wir Japanisch nicht erklären müssen”. Dabei könnte man so viele Fragen vermeiden, wenn man nur die richtige Grammatik lernt.

Das sieht man schon sehr früh: Eine typische Standardaussage ist zum Beispiel “Xが好きです” bedeutet “Ich mag X” Jetzt weißt du zwar, dass du den Gedanken “Ich mag X” auf Japanisch so ausdrücken kannst, aber du weißt nicht warum. Du weißt nicht, was du sagst. Du weißt nicht, wie der Satz funktioniert.

Das führt zu Fragen: “Warum benutze ich hier が?” Antwort: “が kann das Objekt der Begierde markieren!” Nächste Frage: “Aber warum steht in diesem Satz jetzt 好き mit は und ganz ohne が?” Antwort: “は kann が ersetzen!” Frage: “Aber wurde nicht gesagt, dass das が das は ersetzen kann?” Es folgen also nur endlose Ketten von Rückfragen, von denen jede weitere nur noch mehr Verwirrung stiftet.

Wenn du Antworten auf all diese Fragen suchst, kannst du einen Blick in meinen Grammatikleitfaden werfen:

Wer Grammatik lernt, lernt weniger!

Aber wenn du die “Grammar Points” ignorierst und stattdessen wirklich Grammatik lernst, dann erübrigen sich viele Fragen. Denn dann kannst du einen Satz allein aufgrund der Bedeutung seiner Wörter verstehen.

Ein Beispiel, über das ich kürzlich in einer Frage gestolpert bin, war “てからでないと”, was immer als “grammar point” behandelt wird. Im Ernst: Ich hatte noch nie davon gehört, aber ich konnte den Satz trotzdem verstehen. Ich wusste gar nicht, dass man das in Büchern als einen Punkt zusammenfasst.

Warum hatte ich die übermenschliche Fähigkeit, eine komplette grammatikalische Konstruktion zu verstehen, deren Bedeutung ich nie zuvor gelesen hatte? Ganz einfach: Ich kenne die Bedeutung der Wörter und habe die Grammatik gelernt.

Das steckt hinter dem Beispiel

てからでないと setzt sich nämlich aus sehr einfachen grammatischen Aspekten zusammen: て ist einfach die て-Form. Also eine Verbindungsform. Es ist ein bisschen schwierig, ein deutsches Pendant zu finden, weil wir anders verbinden. Ich nehme notgedrungen immer ein “und”. から bedeutet “von”. で ist eine Partikel, die angibt, womit man etwas macht. ない ist das Hilfswort der Verneinung und と ist das klassische “und” in der Verwendung eines Konditionals. Das sind also alles Elemente, die man sehr früh lernt und die auch nicht besonders schwierig sind. Hier werden sie einfach kombiniert.

Der Beispielsatz lautete wie folgt:

もう少し暑くなってからでないと、

Und es wurde gefragt, wie er korrekterweise weitergehen muss:

  1. エアコンを使わなくてもいい。
  2. 海では泳げません。

Jetzt nehmen wir mal alles auseinander: Im ersten Teil steht einfach nur “もう少し暑くなって”. Das bedeutet “noch ein bisschen wärmer werden und” Danach folgt から, also “von”. Es wurde also gerade ein Zeitpunkt beschrieben. Durch das で sehen wir, dass dieser Punkt etwas ist, wo etwas passiert. Was passiert dort? Ein “ない”, also eine Verneinung. Wir sprechen damit von der Nichtexistenz dieses Punktes. Dann kommt das と und damit ein Gedankenbruch. Der erste Satz ist zu Ende und durch das と wissen wir, dass uns gerade eine Bedingung genannt wurde “Wenn der Ausgangspunkt nicht etwas wärmer ist” Was dann passiert, erklärt der zweite Satz.

Welcher ist richtig? Die Frage stellt sich nicht, wenn du die Grammatik verstehst. Denn einer der beiden Sätze ist völlig unlogisch, wenn du Japanisch denkst. Nämlich der erste.

Warum ist das unlogisch? Weil wir eben mit dem “und” ein Konditional hatten. Und das sagt: “Wenn jetzt A ist, dann passiert B. Es kann nichts anderes passieren.” Aber “もいい” ist die Aussage “auch gut” und wird im Sinne einer Erlaubnis verwendet. “Wenn es etwas wärmer wird, dann folgt daraus auf jeden Fall … die Klimaanlage nicht zu benutzen ist auch gut.” Ergibt nicht viel Sinn, oder?

Satz 2 macht Sinn: “Was das im Meer angeht, nicht schwimmen können” Und jetzt kommt die grammatikalische Zauberei: Doppelte Verneinung. Damit erhälst du eine Aussage in folgendem Sinne:

“Wenn wir nicht den Punkt haben, ab dem es wärmer wird, dann können wir nicht im Meer schwimmen.” Oder aber auch einfach “Es muss wärmer werden, damit wir im Meer schwimmen können.”

Die Lehrbucherklärung

Grammar Points” erklären hier aber immer nur: “AてからでないとB” bedeutet “Wir müssen erst A machen, um B machen zu können” und wollen einem noch sagen, dass es ja erst JLPT N3 Grammatik ist, womit sie suggerieren, dass es schwieriger ist.

Und eigentlich noch schlimmer: Sie machen es exponentiell komplizierter, denn vor diesem “Grammar Point” gab es auch den “Grammar Point” “てから”. Und “ないといけない” Es werden also im Laufe der Kapitel alle möglichen Wortkombinationen erklärt und so behandelt, als wären es völlig unterschiedliche und voneinander getrennte Aspekte. Das vervielfacht nicht nur den Lernaufwand enorm und verzögert damit den Spracherwerb, du lernst auch nie, wie grammatische Aspekte zusammenhängen.

Außerdem kann die letztendliche Bedeutung richtig sein, aber es ergeben sich Fragen. Fragen, die nicht nötig wären, wenn man die japanische Grundgrammatik verstanden hätte. Ich sage hier auch nicht, dass es falsch ist, in einfachem Deutsch zu erklären, was eine Kombination bedeutet. Nur bringt das relativ wenig, wenn man nicht erklärt, wie diese Bedeutung zustande kommt.

Deshalb kann ich nur davon abraten, mit “Grammar Points” zu lernen. Denn in der Regel bist du mit deinem Grammatikwissen schon weiter, als du denkst! Mich selbst hat es jedenfalls immer geärgert, wenn mir Lehrbücher solche Satzbedeutungen vor die Füße geworfen haben und ich als Student nur gedacht habe: “Aber warum wird das noch einmal als eigene Regel aufgeführt? Wir haben doch die Einzelbedeutungen gelernt!”

Oder wenn du dir sie doch anschaust, dann solltest du dich nicht einfach mit dem “Das bedeutet es!” zufrieden geben, sondern darüber nachdenken, warum es genau das bedeutet. Das kann manchmal ganz schön kompliziert sein. Denn Japanisch funktioniert anders. Aber das Ziel ist ja, dass du wirklich japanisch denken kannst. Und dazu solltest du auch den Gedankengang solcher Aussagen nachvollziehen können.

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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