Im ersten Kapitel habe ich bereits einen wichtigen Punkt des Japanischen angedeutet, der immer für viel Verwirrung sorgt: Das unsichtbare Subjekt. Hier zeige ich dir jetzt genau, was es damit auf sich hat.
Die wichtigste Eigenheit des Japanischen
Das unsichtbare Subjekt
Jeder Satz im Japanischen hat ein が. Logisch: Ein Satz muss sich ja um etwas drehen! Und dieses etwas ist das Subjekt. Doch Japanisch hat noch eine Angewohnheit: Es lässt er gerne sehr viel weg, wenn es durch dem Kontext offensichtlich ist. Und oftmals ist das Subjekt genau das. Doch meist wird nie erklärt, wie dieser Wegfall funktioniert!
Im Deutschen tauschen wir das Subjekt gerne aus! Wir nennen es nicht pausenlos direkt, sondern nutzen stattdessen Pronomen wie Ich / Du / Er / Sie / Es, oder ein anderes kontextabhängiges Wort. Japanisch nutzt statt Pronomen in diesem Fall ... einfach gar nichts!
Ein Beispiel: So verschwindet das Subjekt
Ich will mit einem einfachen Satz anfangen: "Ich bin Student." Den kannst du mit deinem bisherigen Wissen auf eine von zwei Arten sagen:
- 私が学生だ。
- 学生だ。
Rein aus Gewohnheit würdest du wahrscheinlich den ersten Satz nehmen wollen. Bei dem würde sich ein Japaner aber denken "Wieso betont er sich so stark?!" Es gibt Situationen, wo das angebracht ist, aber zu denen komme ich in einem späteren Kapitel! In den meisten Fällen ist Satz Nummer 2 wesentlich natürlicher! Man geht einfach davon aus, dass du, wenn du es einfach so sagst, über dich redest.
Die Situation will ich dir mit einem deutschen Beispiel weiter veranschaulichen:
Die Katze kletterte auf den Baum. Als die Katze oben war, miaute die Katze. Die Katze sprang auf den nächsten Ast und die Katze kletterte wieder herunter.
Fällt dir etwas auf? Er ist durchaus verständlich, aber klingt unnatürlich, oder? Bestimmt fragst du dich: "Warum zum Geier erwähnt der denn die Katze pausenlos immer wieder?!" Immerhin kann man doch einfach das sagen:
Die Katze kletterte auf den Baum. Als sie oben war, miaute sie. Sie sprang auf den nächsten Ast und kletterte wieder herunter.
Schon wesentlich besser! Zumindest für einen deutschen Muttersprachler. Würdest du das 1:1 ins Japanische übersetzen, würde sich der Japaner nach wie vor die selbe Frage stellen, wie du nach dem ersten Satz. Denn für Japaner ist es natürlich, noch wesentlich mehr wegzulassen!
Katze kletterte auf Baum. War oben, miaute. Sprang auf nächsten Ast, kletterte wieder herunter.
Jetzt klingt es natürlich! Zumindest für Japaner. Und der Satz behält seine Bedeutung bei. Es klingt auf Deutsch nur komisch, weil wir anderes gewohnt sind. Für einen Japaner ist es hingegen genauso komisch, wenn du zu viel sagst. Auch, wenn er es versteht und dir nicht sagen wird, dass du komisch sprichst.

Es ist ganz logisch: Denn "Er", "Sie" oder "Es" kann alles mögliche bezeichnen. Das Wort alleine bedeutet absolut gar nichts und erhält seine Bedeutung nur durch den Kontext.
Null-が: "Er", "Sie", "Es" im Japanischen
Da es ein derartiges Wort im Japanischen nicht gibt, kannst du es dir als ein "Null-が" vorstellen. Wenn der Kontext nichts anderes sagt, bedeutet es einfach "ich". Das ändert sich jedoch je nach Situation.
- Bei einer Vorstellung: カワラバンだ。 - Ich bin Kawaraban.
- Nachdem du ein Geräusch im Wald hörst:兎だ。 - Das ist ein Hase.
- Bei einer Zeitangabe: 水曜日だ。- Es ist Mittwoch.

Alle der genannten Beispielsätze klingen ganz natürlich und niemand wird denken, dass sie in irgendeiner Weise unvollständig sind.
Je länger Japanische Sätze werden, umso wichtiger wird das Verständnis des Null-が. Um das weiter zu veranschaulichen, basteln wir uns jetzt einen komplexeren Satz. Für den fügen wir einen Gegenstand hinzu, mit dem wir etwas tun. Also ein Objekt. Bei Japanisch bedeutet das auch: Du brauchst eine neue Partikel!
Die Partikel を
Du erinnerst dich, wie nach jedem Subjekt immer das が steht? Andere Satzteile funktionieren genauso! Nach jedem Objekt kommt ein を.
Zur Aussprache: Als Partikel wird das を stets "o" gesprochen. Das ist etwas, das du in Gedanken behalten solltest. Denn in meinen Erklärungen richte ich mich nach der traditionellen Hepburn-Umschrift. Deswegen siehst du es in der Kana-Tabelle und auch in den weiteren Erklärungen mit der Umschrift "wo".
Der ist ein weiterer Wagon deines Satzes. Aber er muss nicht da sein. Deswegen hat er eine andere Farbe. In meinen Erklärungen sind derartige optionale Teile türkis! Wirf zum Verständnis einen Blick auf den folgenden Satz:
- 私が本を読む。- Ich lese ein Buch.

Die Kernaussage: Der rote Wagon und die Lok sind das wichtige. Also einfach nur 私が読む。 - Ich lese. Die kannst du nicht weglassen, ohne dass der Satz unverständlich wird. Der türkise Wagon - das を - gibt nun eine zusätzliche Information: Was du liest. In diesem Fall ein Buch.

Das Subjekt mit dem が ist nicht der einzige Satzteil, der unsichtbar werden kann. Das Objekt mit dem を kann es genauso! Aber das erkläre ich später noch im Detail!
Das Null-が schlägt zu!
Erneut heißt es: Offensichtliches fällt weg! Deswegen wirst du oft hören, wie Leute einfach nur sagen: 本を読む。Und da du jetzt das Null-が kennst, weißt du direkt, was hier passiert. Es gibt keinen Satz ohne Subjekt. Es ist nur unsichtbar. Und im Regelfall bedeutet es einfach nur "ich".
Aber Vorsicht: Das Null-が ist ein eigener Satzteil. Es bedeutet nicht, dass du an dieser Stelle jedes Mal ein richtiges が einfügen kannst. Denn das würde die Nuance des Satzes verändern. Das hast du bei dem Beispiel oben bereits bemerkt. Auch ein deutscher Satz klingt anders und kann gar eine andere Aussage bekommen, wenn du ein Pronomen ersetzt und dein Subjekt neu hervorhebst.
Selbst im Deutschen nutzen wir das unsichtbare Subjekt! Allerdings seltener, als im Japanischen. Etwa, wenn wir zwei Sätze miteinander verbinden. "Ich gehe in den Laden und kaufe Brot." ist in Wirklichkeit "Ich gehe in den Laden und ich kaufe Brot." Wie du schon merkst, klingt die wiederholte Nennung von "ich" jedoch komisch und fast vorwurfsvoll, da du nochmal betonst, dass du es tust und niemand anders. Diese Vorstellung kann dir dabei helfen, die Verwendung im Japanischen zu verstehen.
Das hast du hier gelernt
In diesem Kapitel hast du nun die folgenden drei wichtigen Dinge gelernt:
- Das Subjekt (が) eines japanischen Satzes ist meistens unsichtbar
- Mit der optionalen Partikel を markierst du das Objekt
Nun gibt es aber eine weitere Partikel, die Grund für die Verwirrung rund um das Null-が ist. Denn manchmal ist das Subjekt zwar unsichtbar, wird aber an anderer Stelle dennoch mit einer anderen Partikel genannt: Dem は. Im nächsten Kapitel findest du heraus, was es damit auf sich hat!

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Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.
Ju.V says:
Hi 🙋♀️ ich bin die von der Frage über です und だ auf Gutefrage.Dieser Artikel hat mir sehr bei meinem Problem geholfen und ich werde auf jedenfall anfangen,damit zu lernen:)
Jetzt habe ich allerdings doch noch eine Frage.Undzwar um den Abschnitt über das 0-が.eigentlich habe ich es weitgehend verstanden,aber kann man es eigentlich nur bei Substantiv Sätzen verwenden,also bei Sätzen mit dieser kopula Partikel だ am Ende?oder Funktioniert das ganze auch bei Verb- und Adjektiv- Sätzen?
Eigentlich würde es ja logisch nicht so viel Sinn ergeben,wenn man bei z.B. bei einem adjektivsatz das Subjekt+が weglässt.dann würde ja nur noch das Adjektiv stehenbleiben 😅
Trotz dem würde ich jetzt gerne noch mal für Klarheit sorgen,und nochmal nachfragen.LG
Mathias Dietrich says:
Das Null-Ga ist komplett unabhängig von der Satzart. Weil wieso sollte es keinen Sinn ergeben? Es passiert einfach, was du bereits sagst: Es bleibt dann nur das Adjektiv oder Verb stehen. “面白い” einfach so gesagt heißt “Das ist interessant!”. “行く” heißt dann hingegen “Ich gehe”.
Ju.V says:
Achso,gut das ich nochmal nachgefragt habe.Vielen dank!