Ich erlebe immer wieder, dass Leute denken, sie müssten sich erst mit einem Lehrbuch eine gewisse Basis in einer Fremdsprache aneignen, bevor sie mit Immersion lernen können. Aber das ist ein Trugschluss! Der Schulunterricht mit Vokabellisten und ähnlichem hat uns im Laufe der Jahre nur einige schlechte Praktiken eingetrichtert, die uns beim Erlernen einer Sprache behindern. Denn Sprachen unterscheiden sich nicht nur in den Wörtern, die wir benutzen. Um genau zu sein wirst du ohne Immersion nie die Grundlagen einer Fremdsprache erlernen. Aber warum ist das so?
So funktioniert Immersion
Der beste Weg zum Fremdsprache lernen: Wenn du eine neue Fremdsprache lernen willst, ist es am besten, nicht in deiner Muttersprache zu denken. Anstatt nach einer Übersetzung für ein Wort zu suchen, solltest du eine Sache oder eine Handlung sehen und ihr einen neuen Begriff zuordnen. Und das funktioniert ganz ohne Vorkenntnisse.
Du kannst lernen wie ein Kind! Nimm zum Beispiel ein Kinderbuch. Diese sind oft sehr bildhaft geschrieben, weil sie Kindern solche Gedankengänge vermitteln wollen. Die Rolle des vorlesenden Elternteils musst du selbst übernehmen. Je nach Sprache musst du dafür natürlich erst einmal die Buchstaben lernen. Aber das dauert nicht lange.
Wenn du zum Beispiel in einem Buch wie Daruma-San zehn Seiten lang immer wieder “だるまさんの” liest, gefolgt von einem anderen Wort, und dazu ein Bild hast, dann dauert es nicht lange, bis du begreifst, dass “だるまさんの” offensichtlich etwas beschreibt, das die abgebildete Figur hat. Du hast gerade durch Immersion gelernt, ohne jemals ein Wörterbuch benutzt oder einen Blick in die Grammatik geworfen zu haben.
Effektiv, mit einem Problem: Auf diese Art und Weise zu lernen ist effektiv. Und wenn du es tun willst, findest du einige Werke nach Schwierigkeit sortiert in meinen entsprechenden Listen auf Amazon.
Aber die Alltagssituationen werden schnell komplex und du wirst schnell vor einem Satz stehen, den du nicht sofort verstehst. Ganz einfach weil nicht alles genau abgebildet ist. Was kannst du also tun? Nun, hier kommt deine Muttersprache ins Spiel.
Deine Muttersprache ist ein Werkzeug
Wie hilft die Muttersprache? Deine Muttersprache ermöglicht es dir, dir etwas vorzustellen, ohne es direkt zu sehen oder zu tun. Wenn ich zum Beispiel “Nilpferd” sage, denkst du an ein Nilpferd, ohne dass du eines sehen musst. So kannst du schneller lernen. Du solltest dir aber immer bewusst sein, dass deine Muttersprache nur ein Umweg zwischen der Handlung oder der Sache und der Fremdsprache ist. Dein Ziel ist es, eine direkte Verbindung herzustellen.
Verstehe unbekannte Sätze! Nimm wieder ein Buch in deiner Zielsprache. Statt eines sehr einfachen, das wirklich nur Handlungen beschreibt, kannst du dank deiner Muttersprache gleich ein komplexeres nehmen. Denn du weißt, wie du im Notfall herausfinden kannst, was ein unbekanntes Wort bedeutet. Dafür gibt es schließlich Wörterbücher! Und weil du das Wort so direkt in Aktion siehst, verstehst du die Idee gleich viel besser.
Wöterbuch statt Bild: Alles, was ein Wörterbuch tut, ist, dir in deiner Muttersprache die Vorstellung zu vermitteln, die in den Kinderbüchern dargestellt wird. Für dich sollte das aber keinen Unterschied machen. Denke nur immer daran: Du sollst nicht das Wort mit einem anderen in deiner Zielsprache gleichsetzen, sondern die Vorstellung, die es hervorruft.
Verständlicher Input ist die Lernquelle! Um ein neues Wort zu lernen, musst du es nur auf irgendeine Art und Weise verstehen. Man spricht dabei von “verständlichen Input”. Wo du den bekommst ist komplett irrelevant. Natürlich erreichst du das zu einem gewissen Grad auch mit einem Lehrbuch. Allerdings ist explizites Lernmaterial keine Voraussetzung für das Erlernen einer Sprache. Wäre es das, dann könnte heute niemand auch nur ein Wort sprechen und es wäre unmöglich, neue zu lernen.
Auch Grammatik ist nur eine Hilfe! Was für den Gebrauch der Muttersprache gilt, gilt im übrigen auch für grammatikalische Erklärungen. Sie können helfen, etwas schneller zu verstehen oder zu begreifen, sind aber keine notwendige Voraussetzung. Wie viele Menschen können die Grammatik ihrer Muttersprache erklären? Bei weitem nicht jeder, der sie benutzt. Grammatik zu verstehen und eine Sprache richtig zu gebrauchen sind zwei verschiedene Dinge.
Was wir sagen und was wir meinen
Sprache ist sehr abstrakt: 1:1-Übersetzungen werden dir schnell Probleme bereiten. Das liegt daran, dass viele unserer Aussagen sehr bildhaft sind. Und dieser Aspekt ist so stark in der Sprache verankert, dass wir meistens gar nicht darüber nachdenken. Zum Beispiel wollen viele immer eine Sprache “fließend sprechen”. Und schon hat man etwas bildlich beschrieben. Denn “fließend” beschreibt, dass wir eine Sprache so einfach benutzen wollen, wie ein Fluss, der einen Bach entlang fließt. Aber nicht jede Sprache stellt sich eine Situation gleich vor.
1:1-Übersetzungen sind schnell unnatürlich: Dieses Thema habe ich bereits in der Vergangenheit angesprochen. Wenn du versuchst, von deiner Muttersprache in die Zielsprache zu wechseln, wirst du sehr schnell unnatürlich sprechen und nicht verstanden werden, selbst wenn du die richtigen Wörter und sogar die richtige Grammatik verwendest.
Ein Beispiel: Stell dir vor, ein Japaner sagt zu dir: “Ich habe böse Augen getroffen!” Damit könntest du wahrscheinlich nicht viel anfangen, obwohl es die “richtige” Übersetzung des im Japanischen natürlichen “ひどい目にあった” wäre und sich der absolut korrekten deutschen Grammatik bedient. Lokalisiert – also für uns verständlich ausgedrückt – bedeutet es “Mir ist etwas Schlimmes widerfahren”. Die Bedeutung wird auf Deutsch mit völlig anderen Wörtern erreicht.
Deswegen brauchst du Immersion!
Anders kannst du gar nicht lernen! Wenn du diese Dinge für eine ganze Sprache lernen willst, dann gibt es keinen anderen Weg als Immersion. Und was du in einem Lehrbuch oder im Fremdsprachenunterricht präsentiert bekommst, ist auch nur ein kleiner Teil von Immersion. Immerhin siehst du deine Zielsprache in der Anwendung. Nur wird sie hier isoliert gezeigt und oft unnatürlich zusammengeschnitten. Mit einer derartigen Lernmethode wirst du nie in der Fremdsprache denken.
Bedeutungen unterscheiden sich schnell: Ein Lehrbuch könnte Dinge wie die oben genannte Metapher für einen Fall erklären. Aber um wirklich alle zu lernen, brauchst du ein Wörterbuch, das wahrscheinlich zehnmal so umfangreich ist wie das deutsch-japanische Wadoku, das in seiner physischen Version von 2009 bereits drei Bände mit je 2.500 Seiten umfasst. Denn dann müsstest du nicht nur beschreiben, dass “行く” übersetzt “gehen” bedeutet, sondern auch, dass es “ich komme zu dir” bedeutet. Du verwendest also dasselbe Wort, um zwei für uns völlig gegensätzliche Gedanken auszudrücken.
Ein Gefühl ist besser als alle Regeln: All das kannst du nur auswendig lernen, wenn du die Sprache in einer natürlichen Umgebung anwendest. Denn so bekommst du ein Gefühl dafür, was richtig klingt. Ganz einfach, weil du es immer und immer wieder auf die gleiche Weise hörst oder liest. Wenn du dich beim Lernen auf deine Muttersprache verlässt, anstatt den Input durch Immersion zu erfahren, kann das sogar ein Hindernis sein und dazu führen, dass du die Sprache unnatürlich lernst.
Je nach Schwierigkeitsgrad der Werke, mit denen du dich beschäftigst, brauchst du natürlich einige Hilfsmittel, um wirklich alles zu verstehen. Um dir dabei zu helfen, habe ich einen ausführlichen Leitfaden geschrieben, den du auf meiner Website kostenlos lesen kannst.
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Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.