Im letzten Kapitel stellte ich dir bereits einige Situationen im Japanischen vor, in denen Ja Nein bedeutet. Doch es gibt auch die andere Richtung, wo Nein Ja bedeutet. Im täglichen Gebrauch sind die sehr häufig und können einen gerade zu Beginn verwirren, weswegen ich hier genauer darauf eingehe.
Video für Youtube- und Patreon-Mitglieder. Alternativ bei Patreon kaufen oder als Teil meines Udemy-Kurses bekommen.
Wie wird eine negative Aussage zu “Ja”?
Bekanntes Prinzip: Die Form dürfte dir bereits bekannt vorkommen. Denn so, wie du im Deutschen etwa sagen kannst “Bist du nicht Sumito?”, kannst du auf Japanisch sagen “すみとじゃない?”
Was ist das Problem? Eine Schwierigkeit für viele ist, dass die Fragepartikel か im informellen Gebrauch häufig entfällt. Dadurch kann ein und der selbe Satz mehrere Bedeutungen haben, während du auf Deutsch stets am Satzbau erkennen kannst, wenn du eine derartige Form nutzt. Das Beispiel kann auf Japanisch etwa drei Bedeutungen haben:
- すみとじゃない – Das ist nicht Sumito.
- すみとじゃない – Ist das nicht Sumito?
- すみとじゃない – Wenn das nicht Sumito ist!
Damit du die Verwendung verstehst, musst du wissen, in welchem Umfang du die Verneinung じゃない verwenden kannst. Du kannst es nämlich nicht nur an Substantive anhängen, sondern auch Adjektive und Verben.
Weitere Formen: 暑いじゃない ist etwa sehr eindeutig. Denn um ein Adjektiv wie 暑い zu verneinen, kombinierst du es mit dem Hilfsadjektiv ない und erhälst 暑くない. Das “じゃない” an sich funktioniert hier also wie ein “oder?”. Du stellst quasi die Frage in den Raum, ob es nicht so ist und erwartest eine Bestätigung. Eine Kombination mit einem Verb wäre hingegen etwa もう言ったじゃない。- “Hab ich das nicht schon gesagt?”
Die Verkürzung: Gerade umgangssprachlich wird じゃない zudem zu じゃん verkürzt und wird so spezifisch genutzt, wenn man Zustimmung sucht.
Die Grammatik dahinter: Dir sollte auch bewusst sein, dass die umgangssprachliche Verwendung die eigentliche Grammatik dahinter so stark verkürzt, dass es grammatisch falsch wirkt. Denn eigentlich ist じゃない die Negativform der Kopula, also ではない. Und die lässt sich nur mit Substantiven verwenden, nicht aber mit Adjektiven und Verben. Bei der formellen Nutzung siehst du jedoch, was dahintersteckt.
Formelle Nutzung mit ではない
Höfliche Verwendung: Bei der kommt nämlich ではない zum Einsatz. Als Beispiel etwa 私はあなたを怒らせてしまったのではないでしょうか, was so viel bedeutet wie “Was mich angeht, habe ich dich nicht verärgert?”
Was ist しまう? Mit しまった siehst du in diesem Satz noch ein unbekanntes Verb. Das bedeutet “enden” und wird im Sinne von “Die Aktion ist geschehen und nun müssen wir damit leben” eingesetzt.
Dank の ist es korrekt: Letztendlich hast du hier die selbe Form wie oben, allerdings kommt das の nach dem vollständigen Satz あなたを怒らせてしまった zum Einsatz, was diesen zu einem Substantiv macht. “Wahrscheinlich dich verärgert-endete”. Mit ではない wird diese Aussage verneint. Das でしょうか am Ende könntest du hingegen weglassen, da es keine logische Funktion erfüllt. Es ist nur eine Flagge, die die Aussage explizit in eine Frage verwandelt.
Die Bedeutung: Damit kannst du auf der einen Seite einen wahren Zweifel ausdrücken, weil du dir unsicher bist. Meist wird es aber verwendet, um auszudrücken, dass du dir durchaus sicher bist, dass etwas geschehen ist und du jemanden darauf hinweisen willst oder Bestätigung suchst.
Zweimal Nein für starkes Ja
Im Japanischen wirst du jedoch auch durchaus häufig auf doppelte Verneinungen stoßen, die ebenfalls die Bedeutung drehen. Das wird mit der Form 言わざるを得ない gemacht. Ein simples Beispiel für diese ist:
あつくないと言わざるを得ない。
Wörterbücher verwirren: Als ich das erste Mal auf diese Form stieß, versuchte ich 言わざる im Wörterbuch nachzuschlagen und kam bei einem der drei Affen raus: Nämlich dem, der nichts sagt. Die Richtung war nicht mal so falsch. Allerdings am Ziel vorbei. Die Aussage lässt sich aber mit dem bekannten Wissen auseinandernehmen.
Was steckt dahinter? 言わざる nutzt die sehr alte Verneinung ざる. Heutzutage würde es also normalerweise 言わない heißen. 得ない hingegen ist das Verb 得る、was so viel wie bekommen oder gewinnen heißt, in Kombination mit dem Hilfsadjektiv ない. Davor steht die Zitatspartikel と, die das Verb modifiziert. 言わざる selbst wird mit を als Objekt gekennzeichnet. Es ist also, was du mit der Kombination 得ない machst.
Die Bedeutung: 言わざるを得ない heißt übersetzt “Nicht-sagen nicht erhalten.” Du erhälst also das Nicht-Sagen nicht. Also wird es gesagt. Auf Deutsch würdest du es mit “Man muss sagen” ausdrücken. Und mit dieser umständlichen Form betonst du, was auch immer vor ihr steht. Und das, was vor ihm steht, kann selbst wieder negativ sein. Das oben genannte Beispiel bedeutet also einfach: Es ist nicht heiß. Und auf Deutsch würdest du so viel sagen wie “Man muss sagen, dass es nicht heiß ist.”
Die große Schwierigkeit ist bei derartigen Aussagen, dass sie mehrmals im Satz ihre Bedeutung ändern. Und wenn du ihn gerade hörst, musst du plötzlich mehrmals umdenken. Erst denkst du, etwas ist heiß. Dann wird es mit dem Hilfsverb ない nicht heiß. Dann dreht sich die Bedeutung um, weil man es nicht-sagt, und dann kommt noch ein Wandel, nämlich das nicht-erhalten.
Im nächsten Kapitel zeige ich dir, wie du japanische Sätze Stück für Stück analysierst, um ihre Bedeutung zu entschlüsseln!
Unterstütz das Projekt!
Ich betreibe meine Webseite komplett ohne Werbung und die Text-Version des Grammatik-Guides findest du hier komplett kostenlos. Willst du mein Projekt unterstützen, kannst du ihn aber auch als physisches Buch oder eBook kaufen. Mehr Infos dazu findest du hier:
Mein Japanisch Lehrbuch kaufen
Zudem gibt es eine begleitende Video-Version, in der ich die Erklärungen mit Animationen veranschauliche. Die ersten Kapitel sind kostenlos, damit du dir einen Eindruck machen kannst. Die späteren kannst du folgendermaßen ansehen:
Kauf den kompletten Guide bei Udemy
Mitglied bei Patreon werden
Mitglied auf Youtube werden
Alternativ kannst du mich über die folgenden Seiten anderweitig finanziell unterstützen:
Kauf bei Amazon ein (Affiliate-Link)
Einmalige Spende bei Buymeacoffee
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.