Rosetta Stone verspricht, dass es die natürliche Art und Weise des Gehirns nutzt, Sprachen zu lernen, damit man sich schnell in der täglichen Kommunikation wohlfühlt. Sie geben an, dabei auf Immersion zu setzen, wie ich sie auch immer empfehle. Doch hält die App auch wirklich, was sie verspricht?
Was bietet Rosetta Stone?
Early Output mit schlechter Stimmerkennung
Mit dieser Ansage in Gedanken hab ich die App installiert und sofort den Japanisch-Kurs getestet ... um direkt schwer enttäuscht zu werden. Denn was man hier unter Immersion versteht, ist, die Lerner sofort sprechen zu lassen. Die Korrektur übernimmt eine Stimmerkennung.
Damit lässt Rosetta Stone seine Lerner direkt ins Messer laufen. Shadowing als solches, also das Nachsprechen von Wörtern und Sätzen, ist durchaus eine sinnvolle Methode, bereits früh seinen Output zu üben. Allerdings sollte man vielleicht erstmal etwas mehr Kontakt mit der Sprache haben als ein "Konnichiha", dessen Bedeutung nicht einmal erklärt wird und in der gezeigten Situation auch nur ein simples "Hi!" sein könnte.
Am schlimmsten ist jedoch die Korrektur: Rosetta Stone behauptet, es könne die Aussprache überprüfen und zeigt dir mit einem Kreis, wie exakt du warst. Aber bereits komplett unverständliches Gebrabbel wird als korrekt erkannt. Dass es Details wie den Pitch-Akzent nicht richtig erkennt, muss ich dabei wohl nicht noch erwähnen.
Damit sorgt die App dafür, dass man sich bereits ab der ersten Sekunde eine falsche Aussprache antrainiert, die zu beheben sehr viel Zeit und Aufwand bedeutet.
Frühes Vokabeln lernen
Der Weg des Vokabeln lernens ist fast gut. Denn hier bekommst du Bilder präsentiert, das Wort wird mit Kanji angezeigt und dazu vorgesprochen. Zudem setzt man auch darauf, dass einem stets nur Sätze präsentiert werden, in denen man nur ein Wort nicht kennt. Das ist wissenschaftlich gesehen der effektivste Weg, sich neue Vokabeln anzueignen.
Doch leider entschied man sich für ein Mutliple-Choice-System. Das torpediert den Lernfortschritt direkt wieder. Denn so hat man nicht nur bereits eine natürliche Chance, richtig zu liegen. Man kann auch raten und das Ausschlussverfahren nutzen. Ein System, das auf einer Eigenbewertung des Nutzers basiert, wäre hier wesentlich sinnvoller gewesen.
Auch ist der Fortschritt sehr langsam. Man hält sich in den ersten Lektionen sehr lange mit den gleichen Wörtern auf. Ein Karteikarten-System, das auf einem anerkannten Algorithmus wie SM oder FSRS basiert, gibt es in der App nicht. Derartig schnell aufeinanderfolgende Wiederholungen sind jedoch nicht sonderlich hilfreich, um sich die Wörter langfristig einzuprägen.
Ungewohnter Grammatikunterricht
Die Grammatik-Einheiten sind hingegen etwas ungewohnt. Denn es gibt keine großartigen Grammatikerklärungen. Stattdessen hebt man hier Teile eines Wortes hervor und lässt die Lerner erneut ein passendes Bild beziehungsweise Wort auswählen. Damit ist es weniger Grammatik-Unterricht, sondern einfach mehr Vokabeln lernen.
Die Grenzen des Systems werden schnell deutlich. Während das bei simplerer Grammatik durchaus noch funktioniert, macht es bereits bei der Partikel "ha" Probleme. Denn die präsentiert man durch diese Übungen direkt so, als markiere sie den Akteur - also das Subjekt - eines Satzes. Allerdings bezeichnet die ein Thema. Bei weiterer derartig abstrakter Grammatik wird man ähnliche Hürden haben.
Geschichten mit Romaji
Rosetta Stone bietet auch einige kurze Geschichten auf Japanisch. Doch während lesen eines der wichtigsten Dinge zum Sprachen lernen ist, kann ich nur davon abraten, es mit dieser App zu machen. Denn es begeht hier direkt eine Todsünde und schreibt die Texte einfach komplett in Romaji.
Bereits bei Lektion Nummer 1 lässt man das System der Sätze mit nur einem unbekannten Wort fallen. Und das Nachschlagen unbekannter Wörter ist nicht möglich. Damit wird es schwer, hier genug ernsthaften Sprachkontakt zu erhalten, um das von der App versprochene Ziel erreichen zu können: Sich effektiv in der Zielsprache zu unterhalten und sie auch zu verstehen.
Sinnvolles Shadowing: Allerdings ist hierbei positiv, dass man sich bei den Texten von der automatischen Aussprachebewertung verabschiedet hat. Stattdessen werden die Sätze von Muttersprachlern vorgelesen und man kann sich selbst aufnehmen, um die Aussprache manuell zu vergleichen.
Ein teurer Spaß
Die erste Lektion kann man komplett kostenlos testen. Wer danach weitermachen will, muss zahlen.
Trotz des mangelhaften Lernfortschritts, den man hier erhält, will Rosetta Stone durchaus viel Geld sehen und gehört mit zu den teureren Lernapps auf dem Markt.
- 3 Monate: 47,85 Euro (15,95 Euro / Monat)
- 12 Monate: 143,40 Euro (11,95 Euro / Monat)
- Lifetime: 399 Euro
Langsames lernen mit Fehlerpotential
Letztendlich ist nicht ganz klar, was die App erreichen will. Sie ist mit 12 Kapiteln nicht sonderlich umfangreich und bringt auch nur eine Handvoll Vokabeln in jeder Lektion bei. Sie scheint dabei aber keinem didaktischen System zu folgen, sondern wirkt eher wie ein Spiel, das nur kurz ein wenig unterhalten soll.
Finger weg! Insgesamt krankt die App an zu vielen Problemen, als dass man sie zum ernsthaften Lernen verwenden könnte. Der Fortschritt ist zu langsam und man wird sich hier bereits sehr früh Fehler und ein falsches Sprachverständnis antrainieren. Ernstzunehmendes Sprache lernen ist mit diesem Aufbau jedenfalls nicht möglich.
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.