Ein häufiger Gedanke, den ich bei vielen Japanischlernern gesehen habe und den ich mir auch selbst immer erhofft habe, ist, dass es irgendwann einfach “Klick” macht und man nach Jahren des Lernens plötzlich japanische Bücher, Serien und Co. einfach versteht. Muss man ja auch, oder? Schließlich wird man von den Lehrern gelobt und ist im Unterricht immer so gut! Da fehlt doch nur noch das eine Puzzleteil und man versteht auch alles andere!
Hier ist die harte Realität: Das wird nicht passieren. Wenn man in Kursen gut ist, dann aus dem einfachen Grund, weil man im Kurs nur Aufgaben bekommt, die speziell auf das Kurswissen zugeschnitten sind. Aber Kurswissen hat wenig mit der Realität einer Sprache zu tun. Ich selbst habe in meinen Kursen immer Einsen und Zweien bekommen. Beim Versuch ein Kinderbuch zu lesen, verzweifelte ich.
Möchte man jedoch eine Sprache anwenden, Bücher lesen, Serien schauen oder Ähnliches, muss man genau das tun, um darin besser zu werden. Der Traum von “Ich besuche einfach 4 Jahre lang Kurse und dann kann ich die Sprache!” oder “Ich nutze ein paar Jahre lang diese eine App und lerne so und dann kann ich direkt einen Anime ansehen!” funktioniert an sich nicht.
Es ist zudem sehr demotivierend, immer nur Lehrbücher zu nutzen, um dann alle paar Monate aufs neue wieder zu versuchen, etwas zu lesen, nur um dann mit dem Gedanken “Mist. Reicht noch nicht. Muss noch mehr lernen!” festzustellen, dass einem das stete lernen hier immer noch nicht weitergeholfen hat. Das ist nur wie zu versuchen, seine Kochkünste zu verbessern, indem man jeden Tag joggen geht.
Stete Besserung statt Klick
Wie es wirklich funktioniert: Du wirst in dem besser, das du auch wirklich tust. Wenn du Anime sehen willst, musst du Anime ansehen. Wenn du Bücher lesen willst, mussst du Bücher lesen. Wenn du reden willst, musst du auf japanisch reden. Ich sag es oft, aber wer Fahrradfahren will, fährt auch Fahrrad und liest keine Anleitungen dazu durch. Stattdessen nutzt man Anfangs Stützräder. Dann helfen Mama oder Papa und irgendwann lassen sie los und man fährt weiter, ohne zu bemerken, dass man keine Hilfe mehr hat. Bei Japanisch ist das Äquivalent ein Wörterbuch.
Das Ergebnis ist kein Klick-Effekt. Stattdessen geschieht es wesentlich unauffälliger. Mit jedem neuen Buch musst du weniger nachschlagen. Am Anfang schlägst du noch jedes Wort nach. Irgendwann gibt es das erste, das du einfach weißt. Später musst du nur noch jedes zweite nachschlagen. Schließlich sitzt du da und schlägst nur noch ab und an eins nach. Und danach merkst du: “Hey, ich habe seit fünf Büchern nichts mehr nachschlagen müssen!”
Du musst deine Energie nur in die richtigen Aspekte des Lernens stecken. Ich denke, dass wohl die wenigsten, gut darin werden wollen, Testfragen zu beantworten. Die meisten werden Bücher lesen wollen. Ich habe jedoch in Sprachkursen viele Menschen gesehen, die letzteres wollten, aber ihre Motivation in klassischen Unterricht steckten. Ich selbst habe das auch viel zu lange getan.
Und genau deshalb ist es wichtig, dass du nicht von Kurs zu Kurs springst oder Lehrbuch um Lehrbuch durcharbeitest. Da du dich so nicht in Richtung deines Ziels bewegst.
Antworten statt Fragen
Ein weiterer Vorteil: Durch das Ansehen und Übersetzen japanischer Medien können alle möglichen Fragen geklärt werden, die Lehrbücher pausenlos aufwerfen. Insbesondere die Frage, ob man X auch für Y verwenden kann. Wenn du natürliche japanische Werke konsumierst, siehst du, wie du die zahlreichen Formen in ihrem natürlichen Umfeld nutzt.
Wenn du den Input mit dieser Methode ausreichend geübt hast, dreht sich beim Output alles nur noch ums Nachahmen. Natürlich erfordert flüssige Anwendung auch Zeit. Aber du weißt dann, in welchen Situationen du bestimmte Dinge sagen kannst, weil du sie oft genug in entsprechenden Situationen in Büchern und Serien gehört hast.
Das kennst du bereits aus deiner Muttersprache oder einer Fremdsprache, die du bereits beherrschst. Oft kannst du nicht erklären, warum bestimmte Dinge auf eine bestimmte Art und Weise ausgedrückt werden. Wenn man nun jemandem die deutsche Grammatik erklären müsste, würden die meisten wohl ratlos dastehen und nicht genau wissen, was sie sagen sollen.
Kurz gesagt kann dir kein Kurs der Welt oder Lehrbuch die Anwendung der Sprache abnehmen. Andersrum kann die reine Anwendung jedoch Kurse und Lehrbücher ersetzen. Das trifft auch auf meine Erklärungen zu. Ich kann dir nur die Tür zeigen. Durchgehen musst du selbst.
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.