Heisig, WaniKani oder KanjiDamage? Was ist eigentlich die beste und vor allem effektivste Methode, japanisch Kanji zu lernen? Ich habe im Laufe der Zeit mit allen drei gelernt, mich letzten Endes jedoch auf WaniKani festgelegt. Doch das aus den vollkommen falschen Gründen!
Was steckt hinter den Lernmethoden?
Wenn es darum geht, Japanisch zu lernen, dann wirst du so viele Meinungen zur besten Methode finden, wie es Lerner gibt. Ich selbst habe mit drei besonders großen Projekten Erfahrungen gemacht.
Das berühmteste ist das von Heisig. Doch auf diesem aufbauend konnten sich mittlerweile auch KanjiDamage und WaniKani etablieren. Damit du verstehst, wieso ich mich ausgerechnet gerade für das letztere entschied, musst du wissen, was die einzelnen Methoden zu bieten haben.
Heisig: Die Kanji Lernen und Behalten
Um das Buch “Die Kanji Lernen und behalten” von James Heisig führt kein Weg vorbei. Selbst wenn du den Namen noch nie gehört hast, so basieren sämtliche der heutzutage verbreiteten Kanjiwerke auf seinem Schaffen.
Heisig revolutionierte seinerzeit die Japanologie, indem er eine komplett neue Methode entwickelte, die aus dem Chinesischen übernommenen Schriftzeichen zu lernen. Und das noch bevor er selbst überhaupt Japanisch konnte.
Er zerlegte sämtliche Kanji in ihre Einzelteile, Radikale genannt, und gab ihnen Namen. Die Radikale werden dadurch sozusagen zu Buchstaben, mit denen man die Kanji schreibt. Das macht es wesentlich einfacher, sich die komplexen Zeichen zu merken. So lernst du zuerst die Kanji mit ihrer Bedeutung und erst hinterher die Aussprache.
Ein durchaus sinnvolles System. Allerdings kann es durchaus lange dauern, bis du mit dieser Methode wirklich Japanisch kannst. Immerhin lernst du die Schrift sozusagen separat. Das ist auch der Grund, warum KanjiDamage und WaniKani dieses System ein wenig ausgebaut haben.
KanjiDamage: Japanisch lernen mit schmutzigen Witzen
KanjiDamage nutzt die Methode von Heisig und denkt sie weiter. Auch hier lernst du erst Radikale und danach die Zeichen, die sich aus diesen Einzelteilen zusammensetzen. Allerdings lernst du nicht nur die Bedeutung, sondern die Aussprache direkt mit dazu.
Und das macht KanjiDamage auf eine wirklich gut durchdachte Art und Weise: Mit kurzen, aber sehr prägnanten englischen Witzen, in denen die jeweilige Aussprache der Kanji vorkommt.
Am besten lässt sich das demonstrieren, indem ich dir hier einfach eine der Karten von KanjiDamage als Beispiel zeige:
内 the inside
(George Michael’s Moustache) + 人 (person)
Onyomi
NAI
MnemonicIt’s NICE to be a person trapped inside George Michael’s stache?
Kunyomi
うち inside a thing, OR inside of a certain time frame(eat it while it’s hot! 温かい内に食べて!) Also, it’s a slang term for ‘us.’
Du bekommst als erstes das Kanji samt seiner Bedeutung angezeigt. Danach erfährst du, aus welchen Radikalen es sich zusammensetzt. Schließlich wird die On-Lesung genannt und dazu eine Eselsbrücke. In der findest du die einzelnen Aspekte wieder.
In diesem Fall die Aussprache NAI in Form von “NICE”, die Bedeutung “inside” sowie die Radikale “person” und “George Michael’s Moustache”. Jedes weitere Kanji mit der Aussprache “Nai” wird in seiner Eselsbrücke dann ebenfalls das Wort “NICE” nutzen.
Danach folgen einige Worte, in denen das Kanji verwendet wird. Mit Sternen wird hierbei angegeben, wie häufig es in Texten oder Gesprächen verwendet wird. Enenso siehst du den Kontext und schließlich gibt es noch weitere Informationen wie ähnlich aussehende Kanji.
KanjiDamage will damit erreichen, dir nicht zu viele Informationen zu geben, wie es viele Wörterbücher machen. Gleichzeitig soll Kontext für die Verwendung hergestellt werden und gleichzeitig sollst du schnelle Erfolge erzielen, indem du erst jene Kanji lernst, die auch häufiger im Alltag auftauchen.
WaniKani: Schlecht kopiert und am Ziel vorbei
WaniKani greift seinerseits wiederum die Methode von KanjiDamage auf und versucht sich ebenfalls an einfach zu lernenden Eselsbrücken. Nur dummerweise haben sie dabei offenbar nicht verstanden, was genau die Methode von KanjiDamage so gut machte.
Auch WaniKani bringt dir erst einmal Radikale bei und gibt diesen Namen. Danach bildet es darauf basierend ebenfalls Eselsbrücken. Nur sind die nicht kurz und knapp. Ganz im Gegenteil. Die Eselsbrücken von WaniKani könnte man fast als Romane bezeichnen. Denn die sind gerne mal ganze Absätze lang, die man sich unmöglich einfacher merken kann, als die Aussprache und Bedeutung des Kanji an sich.
Das folgende Beispiel verdeutlicht das:
内 – inside
Radical Combination
冂 Head 人 Person
Meaning
Primary: Inside
Alternative: WithinMnemonic
There’s a person inside your head.
And, you have no idea how to get them out. They’re inside for good, and it’s freaking you out. As in, there’s a little person in there, running around, controlling your brain. People think you’re crazy, but you know better… He’s inside there, doing evil things.
Readings
On’yomiない
Kun’yomiうち
MnemonicYou know this kanji means inside, so you can keep thinking about the person that’s inside you, running around. You finally discover him, and try to take him out, but before you can, he pulls out a knife (ない) and threatens to cut you if you do anything irrational.
Imagine him holding the knife out, threatening to stab your brain. You’re in a conundrum here. If you don’t take him out, you’re in trouble, but if you do try to take him out, he might stab you in the brain with his knife. Try to think a way around this situation, focusing mainly on his knife.
Der Aufbau ähnelt sich also erstmal und auch die erste Eselsbrücke erscheint noch sinnvoll. Doch dann wird sie mit Hinweisen immer komplizierter gemacht. Zudem gibt dir WaniKani nicht nur eine allumfassende Eselsbrücke, sondern einfach mehrere. Eine für die Schreibweise des Kanji und eine weitere für die Lesung.
Dir all diese Eselsbrücken zu merken, bedeutet jedoch wesentlich mehr Aufwand, als einfach nur die Aussprache und Bedeutung des Kanji zu lernen. Vor allem, da sie einfach nur extrem abstrakt sind und über mehrere Ecken herum versuchen, irgendein Wort einzubauen, das die Aussprache wiedergibt. Wenn du dir die Geschichte merkst, weißt du aber nicht mehr, welches nun das ausschlaggebende Wort war, das du dir merken solltest.
Besonders frustrierend ist zudem die fehlende Konsistenz. Denn mal gibt WaniKani einem Radikal und dem identisch aussehenden Kanji die gleiche Bedeutung, zu anderen Zeiten nicht. Und das bringt einem beim Lernen immer und immer wieder durcheinander. Dann siehst du das Kanji und denkst an die Bedeutung des Radikals, oder umgekehrt.
Auch bei den Übersetzungen selbst gibt es Verbesserungsbedarf. Denn Wanikani verfällt zumindest manchmal in das System, dass es Worte ohne Übersetzung beibringt, oder bei der Abfrage unübersetzte Begriffe akzeptiert, die ohne weitere Erklärungen für einen Lernenden keinen Sinn ergeben. Gerade im Bereich der Lebensmittel geschieht das häufig mit Dingen wie zum Beispiel “Umeboushi” (dt. getrocknete Pflaume) oder “Wakame” (dt. Seetang). Das wirkt dann stets ein wenig wie der Gedankenweg von manchen Anime-Fans, die Begriffe wie “kawaii” (dt. süß) ebenfalls unübersetzt in der deutschen Sprache verwenden.
Das Problem mit der Datenhoheit
Es gibt zudem noch ein technisches Problem mit WaniKani, bei dem KanjiDamage, oder viel mehr die Kombination von KanjiDamage mit Anki punkten kann. Nämlich die Tatsache, dass Anki nicht von einem Server abhängig ist und du dadurch stets die Datenhoheit hast.
Wenn WaniKani seinen Betrieb einstellen sollte, dann hast du keinen Zugriff mehr auf deinen Lernfortschritt und kannst auch das Lernangebot an sich nicht mehr nutzen. Entsprechend wird dann auch die Smartphone-App nutzlos.
Bei Anki und Kanjidamage existiert das Problem nicht. Denn selbst wenn beide Seiten ihren Betrieb einstellen, kannst du die Anki-App immer noch komplett offline ohne Internetzugang nutzen und auch Kartendecks importieren, solange du sie noch irgendwo auftreiben kannst. Und im schlimmsten Fall kannst du stets noch ein eigenes anlegen.
Wieso nutze ich ausgerechnet WaniKani?
Die Lernmethode von WaniKani macht das Lernen letztendlich also wesentlich umständlicher, als es sein muss. Der Grund, wieso ich es dennoch statt KanjiDamage nutze ist, dass die Benutzung wesentlich komfortabler ist.
KanjiDamage kannst du am einfachsten zusammen mit Anki verwenden. Einem Programm, das deine digitalen Karteikarten für dich organisiert. Das ist jedoch gnadenlos und bombardiert dich schon sehr schnell mit Karten zu.
Nicht nur bekommst du jeden Tag neue Karten in dein Deck hinzugefügt, auch stapeln sich die Wiederholungen schnell an, selbst wenn du nur einen einzigen Tag vergisst, zu lernen. Wenn du schließlich 100 Karten durchgehst, nur um danach zu sehen, dass noch mehr auf dich warten, schadet das der Motivation durchaus. Mit den richtigen Einstellungen kannst du zwar etwas dagegenwirken, aber auch nicht viel.
Die Vorteile von WaniKani
WaniKani ist hierbei wesentlich gnädiger und motiviert dich zudem besser. Denn du siehst deine Lernfortschritte besser. Die Karten steigen zwischen verschiedenen Leveln auf und ab. Noch besser: Hast du eine oft genug richtig, dann wird sie “verbrannt” und wandert damit auf einen “Abgeschlossen”-Stapel. Das ist extrem motivierend, da du letztendlich wirklich das Gefühl hast, Fortschritte zu machen.
Außerdem gibt es eine große Community, die einige der Nachteile von WaniKani behebt. So kannst du dir zusätzlich die Eselsbrücken von KanjiDamage anzeigen lassen, oder die Karten auch von Englisch nach Japanisch lernen. Denn normalerweise bringt dir WaniKani Japanisch nur von Japanisch nach Englisch bei.
Wie lernst du Japanisch am besten?
Ganz im Sinne von “Tue was ich sage, nicht was ich mache.” würde ich zum Japanischlernen dennoch KanjiDamage empfehlen. Denn im Gegensatz zu WaniKani – das ein Abo oder einen teuren Lifetime-Zugang benötigt – ist das komplett kostenlos. Zudem machst du hier durch die bessere Konsistenz und die Eselsbrücken wesentlich schneller Fortschritte.
Bei der richtigen Einstellung von Anki helf ich dir weiter. Die konzentrieren sich darauf, dass du Japanisch lernst, indem du dich komplett mit der Sprache umgibst. Zudem hilft ein Blick in meinen Lehrplan, mit dem ich dir die Sprache und Grammatik so beibringe, wie Japaner sie verstehen.
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.