Immer und immer wieder fragen Leute, wie man Japanisch lernen kann. Und immer und immer wieder sieht man, wie Duolingo empfohlen wird. Ich rate an sich immer und immer wieder von einschlägen All-in-One Apps ab, die behaupten, sie können einem alleine Japanisch beibringen. Doch Duolingo ist die schlimmste von allen!
Nun werden sich viele fragen, warum ich ausgerechnet bei Duolingo so tue, als wäre es der Teufel persönlich. Schließlich lernt man dort Japanisch und das auch noch kostenlos! Da kann man doch nicht viel falsch machen, da man wenigstens ein bisschen Japanisch sieht, oder?
Weit gefehlt! Man kann falsch lernen und sich auf ewig im Kreis drehen. Ich habe Erfahrungen damit. Und auch, wenn du als Nutzer am Anfang vielleicht ein anderes Bild bekommst, führt die App auf Dauer nicht zu Sprachkenntnissen, sondern eher dazu, dass du dein Vorhaben ganz aufgibst. Im Bestfall bremst dich die App aus. Im schlimmsten Fall sorgt sie dafür, dass du ganz aufgibst.
Spaß wie ein Pay2Win-Spiel!
Duolingo macht Spaß! Das höre ich oft. Nutzer berichten von ihrem positiven ersten Eindruck. Aber worauf beruht der? Ja, es macht Spaß. Es macht Spaß zu sehen, wie man in einer Highscore-Liste immer weiter nach oben klettert. Es macht Spaß zu sehen, wie man Erfahrungspunkte sammelt und aufsteigt. Und all die tollen Effekte, die du bekommst, wenn du eine Aufgabe löst! Duolingo soll Spaß machen. Das ist das Hauptziel.
Dabei nutzt es die gleichen psychologischen Tricks, die auch Free2Play-Spiele erfolgreich einsetzen, um zum Kauf von Mikrotransaktionen zu animieren. Wer Duolingo nutzt, hat ein gutes Gefühl, was sich auch in Weiterempfehlungen niederschlägt. Dieses gute Gefühl lässt sich aber nicht mit Lernfortschritt gleichsetzen.
Übermäßiges positives Feedback kann also dazu verwendet werden, die Spieler in die Irre zu führen und ihnen die Illusion zu vermitteln, dass sie etwas Sinnvolles leisten.
Exploitative Game Design: Beyond the F2P Debate
So erreichst du die Highscore! Die Jagd nach der Highscore bei Duolingo ist an sich schon ein bisschen fragwürdig. Irgendwie ist jeder immer unter den ersten drei. Und dass man die einfachsten Level farmen kann, um aufzusteigen, sollte eigentlich nicht Sinn der Sache sein. Außerdem gibt es Bots, die einem das lästige Lernen abnehmen. Wie zum Beispiel diese praktische Autolingo-Erweiterung für deinen Browser. Und ja. Ich verlinke sie hier absichtlich, um sie zu verbreiten, damit mehr Leute erkennen, wie wenig diese Highscore wert ist.
Die bessere Duolingo-Alternative!
Nun, es ist ja nicht schlimm, wenn einem so etwas Spaß macht. Als Menschen sind wir geradezu darauf programmiert, immer größer werdenden Zahlen nachzujagen. Allerdings schlage ich hier immer eine bessere Alternative vor: Cookie Clicker. Oder ein kleiner Geheimtipp von mir: (the) Gnorp Apologue. Beide sind mit ihrer einmaligen Zahlung wesentlich günstiger als ein Duolingo-Abo, nutzen die gleichen Methoden, um Spaß zu machen und haben den gleichen Lerneffekt: Keinen.
Die bessere Lern-App: Aber um ernst zu bleiben: Wenn ich heutzutage jemanden nur eine einzige App empfehlen müsste, um Japanisch – und auch eine Reihe andrer Sprachen – zu lernen, dann würde ich zu Migaku raten. Denn das unterstützt dein Lernunterfangen und versucht nicht, sich zwischen dich und die Sprache zu schieben.
Duolingo bringt dir nichts bei
Es ist kein Lernfortschritt: Während Gamification an sich kein Problem wäre, spiegelt sich all das bei Duolingo nicht in Sprachkenntnissen wider. Das sage ich nicht einfach so. Es gibt wissenschaftliche Studien zu diesem Thema.
Die Studenten fanden es auch schwierig, ihre Duolingo-Lernfortschritte in Bezug auf die reale Sprachverwendung zu interpretieren und hatten das Gefühl, dass ihre Sprachkenntnisse außerhalb der Anwendungsaufgaben nicht ausreichend waren.
Gamification in mobile-assisted language learning: a systematic review of Duolingo literature from public release of 2012 to early 2020
Denn die App ist nicht dazu gedacht, dir eine Sprache beizubringen, sondern dich bei der Stange zu halten. Das zeigen auch die mehr als aufdringlichen E-Mails, die Duolingo dir schickt, wenn du es wagst, es eine Weile nicht zu starten.
Lernen wie mit Untertiteln: Es gibt aber auch generelle Kritik an der Art und Weise, wie Duolingo unterrichten will. Es funktioniert einfach nicht. Weil du keine Erklärungen bekommst. Du siehst nicht, wie japanische Sätze aufgebaut sind. Du bekommst einen japanischen Satz und dazu kommentarlos eine Lokalisierung, die auf Englisch oder Deutsch gut klingt. Wenn diese Methode funktionieren würde, könnte jeder, der sich Anime mit englischen Untertiteln ansieht, die Sprache fließend sprechen. Dass dem nicht so ist, muss ich wohl nicht erklären.
Deswegen klappt es nicht
Universitärer Nachweis: Dass das nicht klappt, erklärten Wolfgang Butzkamm & John A. W. Caldwell, die basierend auf der Theorie von Stephen Krashen die Doppel-Input-Hypothese entwarfen: Um sich eine Sprache anzueignen, muss man Botschaften in ihr verstehen und auch die einzelnen Wörter, aus denen sich eine Botschaft zusammensetzt.
Kulturelle Unterschiede: Denn im Japanischen erreicht man viele Bedeutungen mit einem ganz anderen Satzbau und ganz anderen Wörtern als im Deutschen oder Englischen. Ein einfaches Beispiel: “喧嘩を売る” (Kenka wo uru) bedeutet lokalisiert “Streit suchen”. Und Duolingo würde dir das auch so anzeigen. Aber auf Japanisch sagst du nicht “Streit suchen”. Wörtlich übersetzt sagst du “Streit verkaufen”. Würdest du aber nur sehen, dass “喧嘩を売る” (Kenka wo uru) “Streit suchen” bedeutet, würdest du denken, dass 売る (uru) “suchen” bedeutet.
Und das ist nur ein einfaches Beispiel! Bei komplexeren würdest du kein Wort des japanischen Satzes mehr in der Lokalisation finden. Das würde bedeuten, dass du jeden möglichen japanischen Satz, den du jemals bilden kannst, inklusive Lokalisation auswendig lernen müsstest. Das ist natürlich nicht machbar.
Bei einer Sprache, die der eigenen Muttersprache sehr viel ähnlicher ist, kann man damit noch einigermaßen erfolgreich sein. Bei einer Sprache wie Japanisch bricht dieses System jedoch völlig zusammen.
“Aber ich lerne ja was!”
Aber Hiragana und Katakana! Und ja. Viele Leute lernen Hiragana und Katakana mit Duolingo. Aber an sich kann man beim Lernen der Kana nicht viel falsch machen. Und auch hier ist die Duolingo-Methode mit den Multiple-Choice-Aufgaben nicht der beste oder schnellste Weg. Schon ganz normale, klassische Vokabelkarten ohne Lösungshinweise schlagen die App in Sachen Effizienz.
Es ist unnatürliches Japanisch: Und da sind wir noch gar nicht bei dem Problem angelangt, dass die in Duolingo verwendeten Beispiele oft sehr unnatürlich klingen. Rezensionen von Japanern zu diesem Thema sind leicht auf Youtube zu finden:
Das größte Problem: Die Bekanntheit
Ein Teufelskreis: Viele der hier angesprochenen Probleme treffen auf sehr viele Apps zu. Aber Duolingo ist die bekannteste Sprachlern-App. Jeder kennt sie. Jeder stolpert irgendwie darüber und sehr viele nutzen es dann auch. Es ist quasi eine der ersten Anlaufstellen für jeden, der irgendeine Sprache lernen will. Dann wird es aufgrund der bereits erwähnten psychologischen Tricks unreflektiert weiterempfohlen, ohne die tatsächlich erworbenen Sprachkenntnisse zu berücksichtigen, und der Teufelskreis geht weiter.
Um es mal zusammenzufassen: Eine Sprachlern-App wird empfohlen, weil sie Spaß macht und nicht, weil die Nutzer mit ihr ein gutes Sprachniveau erreichen.
Das traurige Ergebnis
Frustrierte Resignation: Das Ergebnis sind viele Lerner, die ihre anfängliche Motivation komplett in der App verlieren und nach Jahren zwar tolle Statistiken in Duolingo vorweisen können, aber niemals Sprachkenntnisse. Ich habe jedenfalls noch nie jemanden getroffen, der die App benutzt hat und sagen konnte: “Ich kann Japanisch!” Was ich jedoch oft sehe, sind Leute, die ihre Streaks von zwei, drei oder mehr Jahren posten, aber dann nur ein sehr niedriges Sprachniveau zeigen.
Duolingo schnappt sich also motivierte Anfänger, verspricht ihnen Sprachkenntnisse und sorgt am Ende mit schlechten Lernmethoden dafür, dass hochmotivierte Menschen ein interessantes Hobby aufgeben, die Schuld aber nicht bei der App, sondern bei sich selbst suchen und dadurch auch keinen weiteren Versuch mit anderen Methoden starten.
Kein seriöser Lerner empfiehlt Duolingo: Und gerade wenn man sich die effektiven Sprecher ansieht, fällt etwas auf. Nicht einer von ihnen empfiehlt Duolingo. Es wird höchstens belächelt. Und das gilt nicht nur für Japanisch.
Welche Apps solltest du stattdessen nutzen?
Wenn es ums Lernen geht, kannst du dich nicht von einer einzigen App abhängig machen. Die Programme können dich höchstens bei bestimmten Elementen unterstützen, aber niemals alleine eine komplette Lernumgebung bieten.
Denn dafür brauchst du zwangsläufig unabhängige und von Japanern für Japaner geschaffene Werke. Es gibt zum Beispiel Popup-Wörterbücher, Karteikarten-Apps, Tandem-Apps oder auch Apps, die dir japanische Texte liefern. Projekte wie das bereits erwähnte Migaku bündeln gar viele Elemente, helfen dir damit aber nur dabei, richtiges Japanisch zu lesen und zu verstehen. Denn keine ernstzunehmende App wird versuchen, sich zwischen dich und natürliche japanische Werke stellen, wie es etwa Duolingo tut.
Eine Sammlung der nützlichsten Apps, die dir wirklich beim Japanischlernen helfen, findest du mit einem Klick auf den grünen Button:
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.