Japanischkurs
Bei einer Konversation auf Japanisch kann wesentlich mehr schief gehen, als nur die Wahl der falschen Worte.

Wie du richtig mit Japanern redest

Selbst wenn du die Sprachbarriere überwunden hast, gibt es bei der Kommunikation mit Japanern noch ein ganz anderes Problem: Die Kulturbarriere. Mit einem Verhalten, das im DACH-Bereich als ganz normal gilt, kannst du in Japan bereits anecken. Ich helfe dir dabei, zahlreichen Fettnäppfchen auszuweichen.

In diesem Artikel erkläre ich dir zuerst das der japanischen Gesellschaft zugrunde liegende System des sozialen Umgangs. Danach gehe ich darauf ein, wieso es Aufgrund der Unterschiede zur westlichen Kultur zu Schwierigkeiten kommen kann und was du beachten solltest.

Allerdings musst du dabei bedenken, dass Kultur niemals absolut ist und die Forschung hier meist prozentual ermittelt, welches Verhalten für ein Land typisch ist. Denn auch in Japan ist trotz der historisch betrachtet eher homogenen Gesellschaft jeder Mensch einzigartig.

Tatemae und Honne: Interaktion in Japan

Um dich richtig mit Japanern unterhalten zu können, musst du zunächst einmal die Kultur des Landes verstehen. Bei der Kommunikation gibt es insgesamt vier Begriffe, die dir immer wieder begegnen werden und die das Zusammenleben in Japan regeln. Dabei handelt es sich um:

  • Uchi: Unter Uchi versteht man die “Innere Gruppe”. Dabei kann es sich zum Beispiel um die eigene Familie, den Freundeskreis oder eine Firma handeln.
  • Soto: Soto bezeichnet wiederum den bereich außerhalb einer Gruppe. Personen aus diesem Kreis werden höflich behandelt, gleichzeitig werden ihnen gegenüber aber auch nicht die wahren Gefühle anvertraut. In Japan begegnet man Mitgliedern außerhalb des eigenen Kreises mit der Tatemae.
  • Honne: bezeichnet die wahren Gedanken und Gefühle einer Person.[1]
  • Tatemae: ist das Verhalten und die Gefühle, die jemand im öffentlichen Raum äußert. Diese können sich von der Honne unterscheiden.[1]

Von meinen persönlichen Erfahrungen mit diesen Dingen berichte ich dir in dem folgenden Artikel:

Erfahrungen mit Tatemae und Honne

Interkulturelle Kommunikation

Die japanische Grammatik und das Vokabular sind nicht die einzigen Dinge, die du lernen musst. Denn Japanisch folgt einem vollkommen anderem Komunikationsstil als Deutsch. Und sich daran anzupassen ist durchaus schwer.

Deutsch ist Low-Context: Die deutsche Sprache an sich legt sehr wenig Wert auf Kontext. Um einen Satz verständlich zu halten, werden fast sämtliche Informationen benötigt und der Austausch ist sehr direkt. Hierarchien oder gemeinsames Hintergrundwissen ist im Regelfall nicht notwendig, um einem Gespräch zu folgen.[2]

Japanisch setzt auf High-Context: Im Japanischen werden sehr viele Informationen aus dem Kontext einer Situation genommen. Dazu gehören beispielsweise Hierarchien zwischen den Sprechern, aber auch gemeinsame Hintergründe und Geschichte. Die Kommunikation besitzt dadurch wesentlich mehr Nuancen. Das macht es auch ungleich schwerer, die Sprache zu lernen.[3]

Das bedeutet, dass du für die Kommunikation in Japan nicht nur die Sprache an sich lernen musst, sondern auch die Geschichte und vor allem die Kultur. Zudem wirst du gerade am Anfang häufiger dasitzen und dich fragen: “Worüber redet er jetzt gerade?” Ganz einfach, weil Informationen nicht genannt und als gegeben hingenommen werden, die im Deutschen normalerweise stets noch einmal genannt werden.

Wie wirkt sich das auf die soziale Interaktion aus?

Welcher Gruppe gehörst du an? Wenn du nach Japan kommst, wirst du dich nicht in der inneren Gruppe der Einheimischen befinden. Entsprechend werden sie sich dir gegenüber sehr höflich verhalten. Und zwar so sehr, dass sie persönliche Nachteile in Kauf nehmen, um dir einen angenehmeren Aufenthalt zu ermöglichen.

Konfliktherd: Bereits hier treffen die Kulturen jedoch bereits aufeinander. Immerhin bist du es von der westlichen Kultur gewohnt, dass du deinem Gastgeber keine Unannehmlichkeiten bereiten willst. Entsprechend ist es nicht unwahrscheinlich, dass du dich mit der japanischen Höflichkeit konfrontiert schlecht fühlst. Genau so würde es jedoch auch den Japanern gehen, wenn du ihr Angebot ablehnst.

Sage nicht, was du denkst: Mit dem System von Tatemae und Honne geht das weiter. Es wird von dir erwartet, dass du im öffentlichen Bereich und im Gespräch mit Fremden nicht deine eigene Meinung äußerst, sondern nur eine, die Konfrontationen und Konflikten aus dem Weg geht. Um das zu bewerkstelligen, wird in Japan auch schonmal gelogen. Nur mit den engsten Vertrauten kannst du über tiefergreifende Themen sprechen.

Passe deine Erwartungen an

Es ist aufgrund all dieser Aspekte besonders wichtig, dass du deine Erwartungen von vornherein etwas dämpfst. Es ist überaus unwahrscheinlich, dass du nach Japan gehst und ein Japaner sofort dein neuer bester Freund wird. Allerdings wird dir das bei den guten Gesprächen nicht sofort bewusst sein. Denn Japaner sind in diesem Fall das Gegenteil von Deutschen.

Wie werden Deutsche gesehen?  Im Ausland sagt man sich stets, dass Deutsche nicht sehr zugänglich, sondern eher abweisend sind. Ist man jedoch einmal durch die harte Hülle gebrochen, hat man einen Freund fürs Leben. Japaner sind das Gegenteil davon.

Unternehmungen sind drin: Es ist im Regelfall kein Problem, ein Gespräch mit einem Japaner anzufangen. Auch eine Unternehmung wie etwa ein Ausflug zum Karaoke oder gemeinsam in eine Bar zu gehen wird selten abgelehnt werden, selbst wenn man sich erst am Vorabend kennengelernt hat. Allerdings kann es sehr lange dauern, bis du einen Japaner wirklich zu deinen engeren Freunden zählen kannst.

Auch Japaner stellen sich diese Frage

Interkulturelle Gespräche gehen allerdings noch weiter. Denn so wie du dich fragst, wie du richtig mit einem Japaner redest, fragen sich auch Japaner, wie sie korrekt mit Westlern kommunizieren können. Denn auch ihnen sind die kulturellen Unterschiede bewusst und auch sie sind in der Lage, sich diesen anzupassen.

Der Ausländerbonus: Entsprechend wirst du stets etwas bevorzugt behandelt. Zum Beispiel wird man es dir in den seltensten Fällen übel nehmen, wenn du etwa keine formelle Sprache beherrschst, oder einen zu legeren Sprachstil verwendest.

Entstehung einer Mischkultur: Aufgrund dieser Aspekte wird sich bei der interkulturellen Kommunikation stets eine Art dritte Mischkultur entwickeln, die weder vollständig der einen, noch der anderen Kultur angehört und in der beide Sprecher versuchen, sich aufeinander einzustellen.

Es gibt Ausnahmen von der Regel

Die Eigenheiten der Kommunikation, die ich dir hier nannte, treffen zwar auf einen Großteil Japans zu, sind aber nicht absolut. Es ist gut möglich, dass du jemanden triffst, der ganz anders ist. Bei der zwischenmenschlichen Interaktion gibt es keine Stichpunktliste nach der du vorgehen kannst, um Freunde zu finden.

Auch in Japan wird über das Für und Wider diskutiert. Die Tatemae beispielsweise ist häufig Gegenstand von Kritik in der japanischen Kultur. Genauso kann es sein, dass du jemandem begegnest, der einfach eher der westlichen Kultur zugeneigt ist.

Entsprechend solltest du die Informationen hier eher als groben Leitfaden ansehen, der dir einen ungefähren Überblick über das Verhalten in Japan gibt, dem historisch gesehen ein Großteil der Bevölkerung folgte. Allerdings solltest du niemals davon ausgehen, dass absolut jeder Japaner diesem folgt.

Quellen

[1] Takeo, Doi (1985). “The anatomy of self”. S. 35
[2] Ramos, Carolina (2014). “Low Context”. Encyclopedia of Diversity and Social Justice (1st ed.).
[3] Ramos, Carolina (2014). “High Context”. Encyclopedia of Diversity and Social Justice (1st ed.).

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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