Japanischkurs
Japanisch mit ChatGPT

Japanisch lernen mit ChatGPT? TU ES NICHT!

Ich sehe zur Zeit immer mehr Japanischlerner, die stolz erzählen, wie sie mit ChatGPT lernen und wie sehr es ihnen hilft. Ohne zu wissen, dass sie sich dabei sehr schnell falsches Wissen aneignen.

Sie stoßen auf dieselben Probleme, die dazu führen, dass Apps wie Duolingo oder jeder Japanischkurs, den jemals jemand besucht hat, nur positive Bewertungen erhalten: Als Anfänger kann man nicht einschätzen, was gut und was richtig ist. Wenn du etwas Neues lernst, ist das immer eine Frage des Vertrauens. Du vertraust darauf, dass richtig unterrichtet zu werden. Aber wem genau vertraust du, wenn du mit ChatGPT oder einer anderen “KI” lernst?

Was ist ChatGPT überhaupt?

ChatGPT ist keine KI! Das Problem mit ChatGPT ist vor allem, dass die meisten Leute nicht wissen, was sie vor sich haben. Denn obwohl ChatGPT und seine zahlreichen Ableger immer wieder als KI bezeichnet werden, ist der Begriff an sich irreführend. ChatGPT denkt nicht. Es ist nicht intelligent. Was viele hier als sehr hilfreiche Lernquelle und übermenschliches Maschinenbewusstsein ansehen, ist … ein Wahrscheinlichkeitsmodell, dessen Quellen nicht nachvollziehbar sind.

Wie schlecht das funktioniert, habe ich bereits in der Vergangenheit erläutert. Denn ich habe die “KI” einem ausführlichen Test unterzogen, was ihr Japanisch-“Wissen” angeht. Die Ergebnisse findest du im folgenden Artikel:

Raten statt wissen: Wer mit ChatGPT lernt, lernt mit einem Programm, das einfach errät, wie ein Satz aussehen könnte, der als Antwort auf das kommt, was man eingegeben hat. Und selbst wenn die Antwort vorne und hinten nicht stimmt, tut es das mit extremer Selbstsicherheit. ChatGPT kennt keine Unsicherheit. Ein Problem, das auch Ghosting genannt wird.

Ein Beispiel? Ich habe ChatGPT4 einen einfachen Satz mit einer Frage zu einer Partikel gegeben:

Frage: “私は日本と行く Wieso nutze ich hier と?”
Antwort: “Die Partikel と in diesem Kontext drückt eine Richtung oder ein Ziel aus, ähnlich der Präposition “nach” im Deutschen. Wenn man sagt 「日本と行く」, bedeutet das “nach Japan gehen”. Es zeigt an, wohin die Bewegung oder Aktion gerichtet ist. Allerdings ist die korrekte Formulierung hier eigentlich 「日本へ行く」 (nach Japan gehen) oder 「日本に行く」 (nach Japan gehen / in Japan sein), da へ und に häufiger für Richtungen oder Ziele verwendet werden. と wird üblicherweise für “mit” oder in Kontexten verwendet, die eine Begleitung oder eine Bedingung ausdrücken.”

Das stimmt nicht! ChatGPT erklärt hier mit absoluter Sicherheit, dass と eine Richtungsangabe ist. Das ist allerdings komplett falsch. Die Partikel kann in keinem einzigen Fall eine Richtung angeben. In diesem Fall gelingt es zwar noch, darauf hinzuweisen, dass die Formulierung an sich “eigentlich” nicht korrekt ist … Dennoch steht jetzt die völlig falsche Erklärung im Raum.

Und das ist ein ganz einfacher Satz, den jeder Japanologie-Student im ersten Semester widerlegen kann. Je komplexer die Fragen oder die Verwendung der Grammatik wird, desto schwieriger wird es, in den Antworten von ChatGPT zwischen richtig und falsch zu unterscheiden.

Im Zweifel hat der Nutzer recht: Außerdem wird ChatGPT auch sehr schnell verwirrt und weiß bei komplexeren Fragen eben nicht mehr, dass manche Dinge “ungewöhnlich” sind. Ganz einfach, weil es in seinem trainierten Wissen nicht mehr genügend Daten hat, die ein definitives Richtig oder Falsch zeigen. Also ist alles richtig, was der Benutzer schreibt.

Die Quelle ist die Mehrheit

ChatGPT lernt von Menschen! Die Tatsache, dass ChatGPT nicht denkt, ist das Wichtigste. Es kennt keine Grammatik. Es wurde mit Milliarden von Sätzen trainiert, die von den verschiedensten Menschen verfasst wurden, deren Hintergrund du nicht kennst. Was ChatGPT für richtig hält, bestimmt allein die Mehrheit. Je seltener bestimmtes Wissen ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ChatGPT diese Information wiedergibt.

Im Fall von Japanisch handelt es sich aufgrund der Quellenlage überwiegend um Ausländer, die Japanisch auf englischsprachigen Seiten geschrieben haben. Bei grammatikalischen Fragen benutzt er die Erklärungen von englischsprachigen Seiten, um eine natürliche Antwort zu erraten. Es weiß nicht, dass Japaner möglicherweise bessere Erklärungen für ihre eigene Grammatik haben. Und wenn es Sätze bildet, verwendet es die, die es bei den vielen “Ist das richtig?”-Nachfragen gefunden hat.

Japanisch ist eine Nische: Antworten von japanischen Webseiten würden einfach als unwahrscheinliche Antwort auf eine Frage gewertet werden, da dieses Wissen laut Datenbank viel seltener genannt wird. ChatGPT ist sozusagen die praktische Umsetzung der 10.000 Affen mit Schreibmaschine, die Shakespeare schreiben könnten und manchmal gepeitscht werden, wenn sie Fehler machen.

Du weißt nie, was richtig ist

ChatGPT hat seine Anwendungsgebiete. In erster Linie geht es aber darum, sich von monotonen Aufgaben zu entlasten. Und ganz wichtig: Bei absolut allem, wofür du ChatGPT einsetzt, musst du in der Lage sein, das Ergebnis eigenständig zu überprüfen. Damit disqualifiziert es sich als Lernwerkzeug völlig. ChatGPT weist auch selbst mit einem Satz unter dem Eingabefeld darauf hin, der aber gewissentlich von so gut wie jedem ignoriert wird:

“ChatGPT can make mistakes. Consider checking important information.”

Und ist die Frage, ob man korrektes Japanisch lernt oder nicht, nicht eine wichtige Information für jeden, der die Sprache lernen will?

Du kannst ChatGPT nicht vertrauen: Es geht nicht darum, dass ChatGPT immer falsche Antworten gibt. Das tut es nicht. Es kann durchaus richtige Antworten geben. Aber als Lerner weißt du nie, ob es das gerade tut. Denn die Antworten sehen immer gut aus. Und je komplexer und unbekannter die Grammatik wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass ChatGPT Fehler macht.

Als Lerner willst du dich nicht auf Sprache oder Erklärungen verlassen, die automatisch generiert werden. Aber auf eines kannst du dich blind verlassen: Sprache, wie sie von Muttersprachlern verwendet wird. Denn das ist genau das, was du selbst benutzen willst. Und solche Quellen sind heutzutage so leicht zu finden, dass es einfach keinen Sinn macht, dich stattdessen auf wörtlich generische Sätze eines Wahrscheinlichkeitsmodells zu verlassen.

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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