Japanischkurs
Sprachlernapp Memrise

Memrise: Die große Konkurrenz für Duolingo?

Memrise will sich als die große Alternative zu Duolingo darstellen. Dafür gibt es dir einen Vokabeltrainer, mit dem du zahlreiche vorgefertigte Sets an Wörtern lernen kannst. Dazu will es dich mit Videos an natürliches Japanisch heranführen und deine Schreib- und Sprechfertigkeiten mit einem Chatbot verbessern. Kommt man damit gut voran?

Wie Memrise Japanisch beibringt

Gemischte Gefühle

Direkt zum Einstieg kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Denn die App bietet Japanisch auf zwei Arten an: Einmal normal und einmal mit lateinischen Buchstaben, den Romaji. Mit letzteren zu lernen ist aber kein guter Ansatz. Denn es würde direkt den natürlichen Kontakt reduzieren, den man mit der Sprache haben kann.

Wesentlich positiver fallen die ersten Hiragana-Lektionen auf. Hier gibt es direkt Videos, in denen Japaner die Zeichen zeichnen und vorsprechen. Auch eine Reihe der Vokabeln bekommt man direkt von einem Japaner vorgesprochen demonstriert. Allerdings fällt man schnell auf Tondateien zurück, die künstlich mit KI generiert wurden.

Für kostenlose Nutzer ist der Einstieg aber schwer. Denn man schneidet willkürlich Lektionen heraus. Es ist etwa nicht möglich, alle Hiragana und Katakana mit der App zu lernen, ohne zu zahlen.

 

Spartanischer Vokabeltrainer

Der Rest des Vokabeltrainers beschränkt sich auf das Minimum. Es gibt im nur Wort und Bedeutung. Kontext mit Bildern oder Beispielsätzefehlen komplett.

Die Übersetzungen sind zudem bereits zu Beginn fehlerhaft. 元気です wird einfach als "ist gut" präsentiert. Zwar lässt sich das in gewisser Weise als "Mir geht es gut." übersetzen, doch auf Japanisch sagt man hier so viel wie "(Ich) lebhaft bin (höflich)."

Das erkennt Memrise nicht! Obwohl es eine explizite wörtliche Übersetzung anbietet. Die ist aber komplett unbrauchbar. 元気です gibt es hier auf Deutsch als "gutです" an. Bei お元気ですか macht er gar ein "おgutですか" draus. Von der falschen Übersetzung an sich abgesehen, ist es keine wörtliche Übersetzung, wenn man fast den gesamten Satz auf Japanisch lässt. Und dieses Muster setzt sich bei den weiteren Vokabeln fort.

Sprache lernen mit Shorts

Natürliches Japanisch gibt es mit Youtube-Videos. Memrise bietet dir eine Reihe japanischer Shorts an. Entsprechend hörst du hier natürliches Japanisch. Dazu sagt dir die App, wie viele der Wörter du aus dem Video bereits kennst und lässt dich bei Bedarf vorauslernen. Das erneut mit den oben genannten nicht ganz so sinnvollen Vokabelkarten.

Das Lernen der Sprache mit Videos ist an sich sinnvoll. Jedoch ist das hier genutzte "Vorauslernen" nicht ganz im Sinn von Sprachlernern. Memrise bewertet den Effekt von Vokabelkarten über. Mit denen alleine lernt man nämlich sehr schlecht. Sie sind eher dazu da, Wörter, die man bereits in einem Kontext sah, im Kurzzeitgedächtnis zu behalten. Erst durch das wiederholte Sehen in verschiedenen Kontexten prägen sie sich ein.

Das Lernen ohne Kontext verschwendet Zeit. Zudem scheint die App für die Wahl der Wörter einfach nur die automatisch erzeugten japanischen Untertitel mit der eigenen Datenbank abzugleichen. Und vergisst dabei zudem gern noch viele. Je nach Video sind die Untertitel von Youtube zudem nicht sehr akkurat.

KI-Bot um dich zu verschlechtern

Bei Memrise werden bereits Anfänger mit Gesprächen konfrontiert. Keine gute Entscheidung. Denn derartig frühe Konversationen zwingen Anfänger dazu, in ihrer Muttersprache zu denken und dann mit grammatischen Regeln japanische Sätze zu bilden. Was wegen der großen Unterschiede zwischen Deutsch und Japanisch nicht funktioniert.

Output üben geht anders! Man kann zu Beginn mit reinen kopieren anfangen. Doch eh man wie von Memrise angeboten, selbst Sätze bildet, braucht man Erfahrung. Man muss wissen, was Japaner sagen und wie sie es sagen. Anders ist auch gar keine Kommunikation möglich. Es bringt nichts, einzelne Sätze zu lernen, wenn man die Antwort darauf nicht verstehen kann.

Versteht man etwas nicht, kann die KI einem die Aussage auf Deutsch übersetzen. Einzelne Wörter lassen sich nicht nachschlagen. Dadurch ist es nicht möglich, herauszufinden, wie der japanische Satz aufgebaut ist. Die Antwort der KI lässt sich so nicht nachvollziehen.

Damit erreicht es den selben Lerneffekt, wie Anime mit übersetzten Untertiteln anzusehen: So gut wie keinen. Denn wie uns die Linguistik erklärt, müssen wir für den Erwerb von Sprache die Bedeutung jedes einzelnen genutzten Wortes verstehen und die Gesamtbedeutung des Satzes. Es reicht nicht nur eins von beiden. Und Japanisch nutzt sehr oft andere Wörter als wir im Deutschen.

Zudem akzeptiert die KI komplett falsche Eingaben. Sie antwortet darauf, als sei es korrektes Japanisch. Es gibt keinerlei Hinweise auf Fehler. Damit geht sämtlicher potentieller Nutzen verloren: Verbessern kann man sich nicht, dafür kann man jedoch Fehler festigen.

App mit sehr begrenzten Nutzen

All das beschränkt den Nutzen von Memrise extrem. Von den KI-Funktionen kann man nur abraten. Die Videos hingegen kann man direkt bei Youtube suchen. Bleibt das üben der Kana, was jedoch schnell erledigt ist und bei dem man an sich nicht viel falsch machen kann.

Abseits dessen schadet dir App deinen Sprachfähigkeiten eher. Sie bringt dir teils gar falsche Wortbedeutungen bei. Einmal aktiv, durch die fehlerhaften Übersetzungen, aber auch passiv, durch fehlenden Kontext oder wenigstens Erklärungen.

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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