Japanischkurs
JA Sensei - Ein Lehrer für dein Smartphone?

JA Sensei: Ein Japanischlehrer für das Smartphone?

JA Sensei ist eine besonders umfangreiche Lernapp, die wirklich alles machen will: Sie besteht aus zahlreichen Modulen und bietet Lektionen, Informationen zur Schrift, will Vokabeln beibringen, das Hörverständnis verbessern, Grammatik unterrichten und mehr. Doch taugt all das, um das eigene Japanisch zu verbessern?

Was kann JA Sensei?

Jeder Lernansatz ist legitim

Fragwürdiger Ansatz: In ihrer Einleitung erklärt die App ihr Ziel: Sie will so viele Leute wie möglich ansprechen. Dadurch sieht sie es auch als legitimen Lernweg an, etwa nur das Sprechen zu lernen. Wie man lernt wird gar als unwichtig dargestellt.

Das behindert das Lernen. Denn wissenschaftlich ist sehr gut beschrieben, wie Spracherwerb funktioniert: Erst über Input und Verstehen, dann folgt kopieren und später eigenes Sätze bilden. Ein reines "Ich lerne nur Sprechen." ist da weder möglich, noch sinnvoll.

Schlechte Übersetzung: Obwohl JA Sensei eine deutsche Übersetzung bietet, ist die nicht sonderlich gut. Sehr oft stößt man hier auf merkwürdig klingende Übersetzungen. Etwa bei Fragen wie "Was ist Furigana", um hier ein Beispiel zu nennen.

Frühe Fehler in den Lektionen

Den Beginn macht die Schrift. Hier schleichen sich bereits Fehler ein. JA Sensei erklärt etwa, jedes Hiragana sei eine Silbe. Doch bereits die ersten Hiragana die man lernt - a (あ), i (い), u (う), e (え), o (お) - widerlegen diese Aussage selbst für Anfänger recht deutlich.

Fragwürdiger Kanjiansatz: Bei den Kanji hingegen empfiehlt man direkt das lernen der Aussprachen. Das ist Erfahrungsgemäß jedoch nur Zeitverschwendung. Denn wenn man ein unbekanntes Wort sieht, kann man sowieso nie mit Sicherheit sagen, wie ein Kanji darin ausgesprochen wird. Selbst dann, wenn man alle Aussprachen kennt. Deswegen sollte man eher Wörter lernen und sich merken, mit welchen Kanji man sie schreibt.

Von Romaji rät man ab. Man empfiehlt, sofort die Kana zu lernen. Das ist sinnvoll. Nur leider opfert man diesen Gedanken sofort und gibt an, dass man die ersten Lektionen doch in Romaji halten wird - um es einfach zu halten. Der Grundgedanke dürfte hier sein, dass man sehr viele Leute anziehen will. Doch mit derartigen Ansätzen erschwert man das Japanischlernen nur. Mit dem richtigen Lernen kann man ohne die Schrift gar nicht beginnen.

Aussprache mit Lücken

Die Aussprache-Erklärungen sind ok. Bis auf die Erklärung der japanischen Sprache als Silbensprache macht man hier nichts falsch. Auch wenn ich selbst Beschreibungen von Zungenpositionen für die korrekte Aussprache nicht für sonderlich zielführend erachte, da einem hier jeder etwas anderes basierend auf seinem persönlichen Dialekt erzählt.

Jedoch lässt man eine wichtige Besonderheit unter den Tisch fallen: Den Pitch-Akzent. Da man direkt in der selben Lektion jedoch bereits zum Nachsprechen auffordert, wäre das eine durchaus wichtige Information.

Zudem fehlt mir die Möglichkeit, sich selbst aufzunehmen. So könnte man seine Aussprache mit dem Original abgleichen. Hier spricht man jedoch nur nach, sagt sich in Gedanken "Stimmt so!" und trainiert sich damit potentiell frühe Fehler an.

Klassischer Lehrbuchablauf

Nach den Grundlagen geht es klassisch weiter: Man zeigt bestimmte Situationen, erklärt danach die Wörter und gibt Vokabellisten mit. Bei den Gesprächen fehlt jedoch eine 1:1-Übersetzung, die laut Linguistik wichtig ist, um sich eine Sprache anzueignen. Stattdessen gibt es hier nur eine natürlich klingende Umschreibung auf Deutsch. Und Vokabellisten sind an sich ein sehr ineffektiver Weg, neue Wörter zu lernen.

Am Ende jeder Lektion folgen zudem generische Multiple-Choice-Quizzes. Die helfen den eigenen Sprachkenntnissen nicht weiter und eignen sich nicht einmal zur Wissensüberprüfung - die an sich nur in klassischen Kursen gebraucht wird. Denn man hat stets eine bestimmte Chance, richtig zu liegen und kann zudem mit dem Ausschlussverfahren weiterkommen.

Kein gutes Vokabeln lernen: Es gibt in der bezahlten Version zudem ein explizites Wortschatzmodul. Doch die Vokabeln werden hier nur mit einer Übersetzung präsentiert. Das lässt sich schlecht einprägen und führt gar zu Fehlern. Denn nicht jedes Wort hat eine eindeutige Übersetzung.

Grammatik mit Nachholbedarf

Bei der Grammatik folgt man dem üblichen Chaos: Bereits in der Einleitung erklärt man, Japanisch habe Konjugationen ... obwohl das System im Japanischen in keinster Weise der linguistischen Definition des Begriffs "Konjugation" entspricht. Man spricht auch davon, dass es eine agglutinierende Sprache ist. Allerdings versteht man nicht, was das bedeutet. Denn es würde nicht mehr mit dem Begriff "Konjugation" im Einklang stehen.

Die expliziten Grammatiklektionen vertiefen diese Probleme weiter: Man bezeichnet Hilfsverben als Suffixe, fragt ab, wie viele Suffixe es gibt, obwohl man sehr viele Hilfsverben und Verben miteinander kombinieren kann. Partikeln verändern ihre Bedeutung und man missversteht die adjektivische Nutzung einiger Substantive als な-Adjektive.

Das Ergebnis: Nach den Grammatiklektionen von JA Sensei hat man ein komplett falsches Verständnis der japanischen Grammatik und erschwert sich dadurch das Verständnis von natürlichen Werken. Denn hier wird man schnell Situationen finden, wo die Erklärungen nicht mehr funktionieren.

Es ist natürlich nicht jede Erklärung in JA Sensei falsch. Allerdings wird ein fehlerhaftes Grundverständnis gelegt, das sich dann auf weitere Lektionen auswirkt und sehr viele Ausnahmeregeln erfordert. Und als Lerner weiß man nicht, was nun richtig ist und was nicht.

Ein Lichtblick?

Ich stieß auf Module, die durchaus vielversprechend erschienen. Lesetexte, Dialoge und Hörübungen. Allerdings enttäuschten selbst die mich letztendlich.

Es wäre ideale Immersion. Lesen und Wörter nachschlagen ist, wie wir uns Sprache aneignen. Leider funktioniert das bei JA Sensei nicht gut. Man wählt hier nur komplette Sätze aus und kann sich dann eine fertig angepasste Übersetzung einblenden lassen oder die Bedeutung der verwendeten Kanji.

Der Nutzen dieser Funktion ist fragwürdig. Was hilft es beim Verständnis des Textes, wenn mir JA Sensei sagt, was die Zeichen 聡 und 介 bedeuten, wenn sie im Text zusammen als der Name Sousuke vorkommen? Die Bedeutung der einzelnen Wörter gibt es nur in einem separaten Fenster, in dem aber nicht einmal alle erklärt werden. Das reißt aus dem Lesefluss.

Auch das Hörverständnis ist problematisch integriert: Hier muss man ohne Hilfe hören, erhält danach eine generische Vokabelliste und darf erst nach einem korrekten Quiz das Skript ansehen - und hier lassen sich zudem nur die Kanji nachschlagen. Das mag im Rahmen helfen, ist aber sehr ineffizient umgesetzt.

Der beste Weg wären jederzeit zuschaltbare Untertitel mit integrierten Popup-Wörterbuch. So könnte man hören, zurückspulen und bei Nicht-Verständnis direkt nachsehen, was gesagt wurde. Das wäre direkter und zeitsparender.

Es ist gut, dass die Dialoge von Muttersprachlern vertont wurden. Viele andere Apps setzen hier auf Sprachgeneration. Dennoch sprechen sie oft sehr langsam und überdeutlich. Bei reinen Texten weniger ein Problem. Bei den Dialogen hingegen klingt es unnatürlich und weckt falsche Erwartungen. In Japan wird man danach erschlagen werden.

Wie ein Lehrbuch, mit all seinen Fehlern

Durch die Lese und Hörübungen hatte ich zunächst die Hoffnung. Ich dachte, dass JA Sensei durchaus brauchbare Lernfunktionen besitzt. Die Umsetzung enttäuschte mich jedoch.

Letztendlich folgt JA Sensei zu sehr dem klassischen Lehrbuchabauf. Es konzentriert sich zu sehr auf Übungsaufgaben, Grammatik und Erklärungen, statt auf die natürliche Nutzung der Sprache.

Damit führt es zur klassischen Lernerhölle. Man wird sich damit nie so recht für normales Japanisch bereit fühlen. Viel eher wird man irgendwann in Japan ankommen und nur merken "Ich verstehe nichts!"

Man kann hier durchaus etwas lernen. Jedoch ist der Lernablauf sehr ineffektiv und man muss die zahlreichen Fehler erkennen können.

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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