Gerade im Gespräch mit Deutschen wirst du es häufig hören: “Otaku? Die sind in Japan verachtet!” Der Glaube hält sich hartnäckig und wird häufig von Personen verbreitet, die mit Anime und den weiteren Interessensgebieten der Subkultur eher wenig anfangen können. Meiner Erfahrung nach entspricht er allerdings nicht der Realität.
Was ist ein Otaku?
Was man genau unter einem Otaku versteht, habe ich bereits in der Vergangenheit ausführlich beantwortet. Kurz zusammengefasst handelt es sich bei ihnen um Menschen, die ihr Hobby sehr intensiv ausleben. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die Meisten unter dem Begriff “Otaku” speziell Fans von Manga und Anime verstehen.
Ein alter Glaube
Im Laufe der Zeit unterlag der Ruf dieser Otaku einem steten Wandel. Und ja: lange Zeit hatten sie in der Tat mit ihrem Image zu kämpfen. Von ihren Anfängen im Kalten Krieg bis hin zum Otaku-Mörder im Jahr 1989 wurden sie belächelt bis gar geächtet. Und hier scheint das Wissen der meisten Menschen über diese Subkultur stehengeblieben zu sein.
Was viele nicht wissen ist, dass der Ruf der Otaku sich in Japan bereits seit den 1990ern wieder bessert. Und das, obwohl wir genau deswegen auch im Westen viele Anime und Manga sehen. Denn Japan erkannte die Wirtschaftskraft hinter den Otaku-Medien, was auch einen positiven Einfluss auf das Ansehen der Otaku in der Öffentlichkeit hat.
Otaku sind auch nur Menschen
Während trotz dieser Tatsachen viele Menschen selbst heutzutage noch im Glauben sind, man würde in Japan ausgestoßen werden, sobald man sich als Otaku zu erkennen gibt, habe ich durchaus andere Erfahrungen gemacht.
In meiner eigenen Umfrage zu dem Thema für meine Bachelorarbeit gaben die meisten Teilnehmer an, dass sie weder ein gutes noch ein negatives Bild von Otaku haben. Natürlich nicht geschlossen und es gibt nach wie vor Menschen, die auf sie herabblicken. Bei denen handelt es sich mittlerweile jedoch um eine Minderheit. Entsprechend sind negative Reaktionen – entgegen vieler Behauptungen – nicht die Norm.
Ablehnung muss ich suchen
Selbst wenn ich heutzutage noch Japaner zu dem Thema befrage, dann können diese mir zwar das Ansehen der Subkultur in der Vergangenheit beschreiben, weisen aber explizit darauf hin, dass diese Ansichten überholt und nicht mehr aktuell sind. Auch die Erwähnung, dass ich selbst Videospiele spiele und Anime schaue, schiebt die Einwohner des Landes nicht von mir weg. Die Zeiten, in denen Otaku allgemein als Menschen angesehen wurden, die über ihr Hobby Hygiene und Haushalt vernachlässigen, sind vorbei.
Häufig bekommt man gar zu hören, dass viele Japaner in ihrer Jugend selbst viel Zeit mit Anime und Videospielen verbrachten, jetzt jedoch einfach nicht mehr dazu kommen. Und manche sehen sich gar selbst als Otaku, obwohl sie nur gelegentlich Anime schauen oder ein Smartphone-Spiel mit diesem Grafikstil spielen. Die Meinung, die außerhalb Japans häufig propagiert wird, habe ich bisher von noch keinem einzigen Japaner gehört.
Anime gehören zu Japans Kultur
Die sehr weite Verbreitung der einst den Otaku vorbehaltenen Medien dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben. Pokémon ist heutzutage zum Beispiel ein fester Bestandteil der japanischen Kultur. Die Monster gab es selbst auf der Hochzeit meiner Schwägerin zu sehen.
Doch auch andere Werke wie Naruto und Attack on Titan erfreuen sich großer Beliebtheit. Zudem wirst du selbst ältere Japaner häufig dabei beobachten können, wie sie ein Spiel auf dem Smartphone spielen. Es ist schon fast eine Herausforderung einen Japaner zu finden, der nicht wenigstens eine Serie schaut.
Dafür kann ich bereits einfach nur in eine Bar gehen. Ganz ohne die Konversation zu lenken, werden hier sehr schnell Dinge wie Anime oder auch westliche Comics Thema der Konversation. Und das nicht, um die Abneigung kundzutun, sondern um über deren Inhalte zu reden. 1989 wäre das noch unvorstellbar gewesen.
Nur Tatemae?
Natürlich kann man behaupten, dass das offenbar gestiegene Ansehen von Otaku einfach nur die Tatemae ist. Also eine Maske, die Japaner aufsetzen, um keinen Konflikt zu beginnen. Da viele von ihnen jedoch mittlerweile selbst ihre wenige Freizeit mit Anime, Manga oder Videospielen verbringen – selbst, wenn sie sich selbst nicht als Otaku sehen – gehe ich allerdings nicht davon aus.
Bis auf wenige Ausnahmen scheint Otaku zu sein in Japan nicht mehr für viel Aufsehen zu sorgen. Anime und ähnliches zu mögen wird hier häufig nur als ein weiteres Hobby angesehen. Und gerade von Ausländern erwarten viele Japaner schon fast, dass sie Anime mögen.
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.