Land und Kultur

In Japan ohne Fleisch zu leben ist herausfordernd. Aber es wird besser!

Vegetarisch in Japan: Kein Fleisch ist (k)eine Option

Vegetarische Lebensweisen sind im Westen akzeptiert und es ist möglich, ihnen ohne größere Umstände nachzugehen. In Japan ist der Trend noch nicht angekommen und das sieht man im täglichen Leben: Wer sich vegetarisch ernähren will, ist fast gezwungen selbst zu kochen.

Ich erkläre dir, warum es in Japan so schwer ist, Fleischkonsum zu vermeiden und wie du dich dennoch vegetarisch ernähren kannst, auch ohne jeden einzelnen Tag selbst in der Küche zu stehen.

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Die Kirschblüte in Japan hat religiöse Ursprünge.

Kirschblüte in Japan – Naturschauspiel mit Geschichte

Japan ist vor allem für seine atemberaubende Kirschblüte bekannt, die viele Menschen dazu veranlasst, das Land einmal im Urlaub zu besuchen und eine Rundreise zu unternehmen.

Ich habe das Ereignis etwas genauer unter die Lupe genommen, mit den Einheimischen geredet und decke die interessanten Hintergründe rund um das Naturschauspiel auf.

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Japan hat seine ganz eigene Art- und Weise, mit dem Corona-Virus umzugehen.

Japans Kultur gegen Corona – Verbreitet es sich wirklich langsamer?

Den Statistiken zufolge verbreitet sich das Coronavirus in Japan viel langsamer als in anderen Ländern. Stimmt das wirklich, oder wird die Statistik geschönt?

Ich betrachte, wie das Land der aufgehenden Sonne mit der Pandemie umgeht, wie es kritisiert wird und ob in der japanischen Kultur möglicherweise Verhaltensweisen versteckt sind, an denen wir uns im Westen ein Beispiel nehmen können.

Die Ankunft des Virus

Auch Japan bleibt nicht vom Coronavirus verschont, geht mit der Krankheit jedoch ganz anders um als die meisten westlichen Staaten. Der erste Fall wurde am 16. Januar 2020 in Kanagawa bekannt. Seitdem verbreitet sich der Erreger bis in die letzten Ecken der Nation.

Am schwersten betroffen sind Tokio, Osaka und Hokkaido. Berichten zufolge soll sich Corona in Japan zudem weitaus langsamer verbreiten als in anderen Ländern. Doch stimmt das? Um die Lage zu ergründen, verschaffe ich mir erst einmal einen Überblick über die aktuelle Situation.

Alltag trotz Corona

Das Alltagsleben geht – zumindest im Süden des Landes – zum Großteil unverändert weiter. Ein Grund dafür ist, dass viele Infektions-vorbeugende Maßnahmen in Japan bereits seit Jahren zum Alltag gehören. 

Am bekanntesten sind wohl die Gesichtsmasken, die Japaner aus den verschiedensten Gründen tragen. Entweder um sich vor Ansteckung durch andere zu schützen, selbst niemanden anzustecken, wenn man krank ist, oder auch aus Angst vor verunreinigter Luft.

Darüber hinaus gibt es in sehr vielen Geschäften schon seit einigen Jahren Desinfektionsflaschen, mit denen ihr eure Hände reinigen könnt und in Restaurants erhältst du vor der Mahlzeit zudem immer ein feuchtes Tuch, um deine Hände zu waschen.

Auch die traditionellen Begrüßungsrituale sind hygienischer als im Westen. Händeschütteln ist in Japan eher ungebräuchlich. Einzig und allein der Höflichkeit ist es geschuldet, dass viele Japaner Westlern zur Begrüßung die Hand geben. Der Standard ist jedoch eine Verbeugung mit gebührenden Abstand zwischen den Personen.

In Japan tragen viele Menschen auch dann Gesichtsmasken, wenn es keine Corona-Pandemie gibt.
In Japan tragen viele Menschen auch dann Gesichtsmasken, wenn es keine Corona-Pandemie gibt.

Hiroshima: als gäbe es keine Pandemie

In Hiroshima, wo der Virus erst sehr spät ankommt und Stand 30. März 2020 gerade einmal sechs Fälle bekannt sind, musst du schon genau hinsehen, um die Auswirkungen auf das öffentliche Leben zu bemerken. Parks sind so vor allem tagsüber noch sehr gut besucht und selbst in diversen Restaurants reihen sich Menschen eng aneinander.

Nur dazwischen siehst du, dass gerade viele touristische Attraktionen wie das Schloss oder die Kunsthalle geschlossen sind. Zudem ist das Stadtzentrum etwas weniger überlaufen als normalerweise. Und ja: auch in Japan gingen die Hamsterkäufe los und eine Zeit lang war es schwer, Toilettenpapier zu finden sowie Masken zu kaufen. Die Geschäfte wirkten dagegen, indem sie nur noch eine Packung pro Person verkauften. Mittlerweile hat sich diese Lage zumindest in dieser Stadt wieder normalisiert.

Doch diese Eindrücke stammen aus einem zumindest zu dieser Zeit noch unbetroffenen Gebiet. Wie sieht es hingegen im Rest des Landes aus?

Touristenattraktion schließt auch Hiroshima nach dem Corona-Ausbruch sehr früh.
Touristenattraktionen schließt auch Hiroshima nach dem Corona-Ausbruch sehr früh.

Die Reaktion der Regierung

Besonders viel Aufsehen erregt der Ausbruch der Krankheit auf dem Schiff Diamond Princess im Hafen von Yokohama, welches von der Regierung unter Quarantäne gestellt wurde. Einem weiteren Schiff – der MS Westerdam aus Hongkong – verweigert man nur kurz darauf am 6. Februar 2020 die Einfahrt ins Land, da einer der Passagiere positiv getestet wird.

Besonders problematisch war die geplante Veranstaltung der olympischen Spiele im Sommer 2020. “War”, weil diese nach langem hin und her letztendlich auf das Jahr 2021 verschoben werden. Bereits nach der ersten Infektion innerhalb Japans beginnt das Olympische Kommitee, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern

Gerade wurde Japan jedoch noch von südkoreanischen Medien kritisiert, es würde zu wenig getestet, um die für den Sommer geplanten olympischen Spiele doch noch stattfinden lassen zu können. Auch japanische Ärzte ließen verlauten, Gesundheitszentren verweigerten ihnen umfangreichere Tests. Darauf wurden umfangreiche Untersuchung durch die Japan Medical Association und das japanische Gesundheitsministerium angekündigt.

Anstieg nach Verschiebung von Olympia 2020

Kurz nach der Verschiebung beginnen die bekannten Fälle in der Hauptstadt Tokio zu steigen – einer der größten Metropolen der Welt. Um eine komplette Absperrung der Stadt zu verhindern, wendet sich die Bürgermeisterin Koike Yuriko an die Bevölkerung und bittet diese darum, zuhause zu bleiben, um eine explosionsartige Verbreitung des Virus in der Hauptstadt zu verhindern.

Es zeigt Wirkung: Die Straßen der sonst stark bevölkerten Stadt sind fast leer und viele Läden schließen vorübergehend. Diesen Aufruf will Koike deswegen auch in Zukunft wiederholen.

Laut der japanischen Nachrichtenseite NHK ist die Meinung der Bevölkerung zur Reaktion der Regierung gespalten. Etwa die Hälfte halte die Maßnahmen so für angebracht. Den Ernst der Lage soll vor allem der Tod des beliebten Komikers Shimura Ken, der am 23. März im Alter von 70 Jahren an COVID-19 verstarb, gegenüber der Bevölkerung verdeutlicht haben.

Low-Tech-Schutzmaßnahme: Mit einer einfachen Plastikfolie weden nicht nur japanische Angestellte in Konbinis gegen Corona geschützt, sondern auch in offiziellen Einrichtung der Regierung.
Low-Tech-Schutzmaßnahme: Mit einer einfachen Plastikfolie weden nicht nur japanische Angestellte in Konbinis gegen Corona geschützt, sondern auch in offiziellen Einrichtung der Regierung.

Nicht genug Corona-Tests?

Den offiziellen Statistiken zufolge gibt es in Japan derweil weitaus weniger Fälle als in Deutschland. In dem fernöstlichen Land sind Stand 31. März 2020 2077 Fälle bekannt, von denen bereits 424 wieder genesen sind. Gleichzeitig wird allerdings auch weniger getestet. Mit 61.913 Fällen gibt es in Deutschland direkt 30 Mal mehr Fälle als Japan überhaupt Tests durchgeführt hat.

Das auswärtige Amt Deutschlands warnt deswegen: Das Risiko in Japan ließe sich nicht einschätzen, da nur schwer erkrankte Personen und jene mit hohem Infektionsrisiko getestet werden. Zum genannten Datum sind das 28.966 Personen.

Wer als Person mit hohen Infektionsrisiko zählt, zeigt beispielsweise ein Fall bei dem Entwickler Kojima Productions. Diese stellen ihren Betrieb auf Home Office um, seit Corona bei einem Angestellten nachgewiesen wurde. Die weiteren Mitarbeiter zählen nicht als gefährdet, da die Symptome des besagten Beschäftigten nicht im Büro einsetzten.

Die Testergebnisse traten elf Tage nach seinem letzten Aufenthalt in dem Firmengebäude ein. Die Umstellung auf Home Office geschieht dadurch aus eigenem Antrieb und nicht gezwungenermaßen.

Bitte statt Lockdown

Einen Zwang Schutzmaßnahmen umzusetzen, gibt es nicht. Der Bitte kommen jedoch viele - wenn auch nicht alle - Einwohner Japans nach.
Einen Zwang, Schutzmaßnahmen umzusetzen, gibt es nicht. Der Bitte kommen jedoch viele – wenn auch nicht alle – Einwohner Japans nach.

Während die Zahl der Infizierten in Tokio sprunghaft nach oben schießt und momentan mehr als 100 neue Fälle pro Tag registriert werden, will die Regierung dennoch keinen Lockdown der Hauptstadt veranlassen. Premierminister Abe Shinzo versucht die Ausbreitung stattdessen einzudämmen, indem er jedem Haushalt Japans zwei wiederverwendbare Stoffmasken zusendet.

Ein Unterfangen, dem die Bevölkerung mit Spott begegnet. Die bezeichnen die Aktion mittlerweile als “Abenomask” (Abe’s Masken), in Anlehnung an Abenomics, wie die wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Premiers aus dem Jahr 2012 genannt werden.

Ob die Infektion in Japan insgesamt durch die weite Verbreitung von Masken und der kulturellen Eigenheiten in der Tat langsamer verläuft als in Deutschland, lässt sich bisher aber nicht mit Sicherheit sagen.

Gerade die schnelle Ausbreitung innerhalb Tokios dürfte wohl eher daher stammen, dass es sich um eine der größten Metropolen der Welt handelt. Menschen zwängen sich hier täglich in überfüllte Züge und auch auf den Straßen herrscht regelrechtes Gedränge.

Zumindest eine Tatsache ist einer Reihe unabhängiger Studien zufolge erwiesen: Das Tragen von Masken bremst in der Tat die Ausbreitung des Virus.

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Was dir die meisten Japaner im Gespräch zeigen, ist nur eine Maske.

Abgründe in Japans Kultur – Was steckt hinter der Höflichkeit?

Notlügen oder kleine White-Lies kennst du aus Deutschland zu genüge. In Japan soll es aber extrem werden: Damit der Gesprächspartner sich gut fühlt, sagt man hier einfach zu und erscheint später nicht zur Verabredung. Dahinter steckt das System der Tatemae und Honne. Es ist komplex und wird selbst in Japan kritisiert.

Wie das im echten Leben aussieht, erkläre ich euch anhand meiner eigenen Erfahrungen an der Senshu Universität in Kanagawa. Während meines Austauschstudiums renne ich mehrmals gegen die Tatemae an und merke, wie nachteilig es ist, die Fassade mit Gewalt zu durchbrechen.

Immerhöfliches Japan

Japaner verbeugen sich
Nach außen hin sind Japaner die wohl höflichsten Menschen, was bei kurzfristigen Begegnungen ganz angenehm ist.

Eine ganz andere Kultur? Die Kultur Japans wird immer als sehr einzigartig präsentiert. Als sei sie vollständig fremd von der im Westen. Und das natürlich nicht komplett grundlos, womöglich aber etwas übertrieben. Oft wird gesagt, dass hier statt dem Individuum die Gruppe im Vordergrund steht. Und das ist der Grund, dass es hier keine unhöflichen Menschen gibt. Doch was steckt dahinter?

Das Problem der Höflichkeit: Höflichkeit ist so ein komisches Ding. Wer eine Einladung ablehnt, fühlt sich immer schlecht. Nicht nur in Japan, auch in Deutschland. Denn man will nichts böses. Man hat halt einfach nur keine Lust. Eine Tatsache, die allerdings nicht gerne akzeptiert wird. Denn es wird schnell persönlich genommen: “Keine Lust haben? Das bedeutet, du hast auf mich keine Lust!”

Notlügen statt Ehrlichkeit: Also nutzt du Notlügen, um das Gegenüber nicht zu verletzen. Und so sagst du dem Bettler auf der Straße nicht “Ich hab zwar einen Euro, aber dir werd ich den nicht geben!”, sondern einfach nur “Tut mir leid. Ich hab kein Geld dabei!” Da kann dann keiner was dafür. Ist halt so. Auch, wenn potentiell immer der Hintergedanke mitschwingt: “Ach, der lügt nur!”

Was ist in Japan anders?

Es gibt keine Absagen! Japan scheint diese Höflichkeit nach meiner Erfahrung jedoch schon auf eine fast nervtötende Spitze zu treiben. Denn ein großer Teil der Menschen hier scheint einfach nicht absagen zu können. Nichtmal mit schlechten Ausreden wie in Deutschland. Das führt, gerade beim interkulturellen Austausch mit sturen Ausländern wie mir selbst, zu Problemen, wie ich in meinem Austauschstudium von 2015 bis 2016 hautnah erfuhr.

Erfahrungen mit der Kulturbarriere: Zu dieser Zeit studierte ich im Rahmen meines Japanologiestudiums an der Senshu-Universität in Kanagawa. Im hiesigen internationalen Wohnheim leben die Austauschstudenten mit den japanischen Studierenden zusammen, um die Interaktion zwischen verschiedenen Kulturen zu fördern.

Ich wurde überrascht! Als Jungspund habe ich an der Universität natürlich etwas über die japanische Kultur gelernt: So sind mir die beiden Begriffe Tatemae, das sozial erwartete Verhalten, und Honne, die ehrliche Meinung, bekannt. Allerdings war ich durchaus überrascht, wie stark diese Konzepte seinerzeit zum tragen gekommen sind.

Sei nicht du selbst!

Kein Grund zu lügen? Ich folgte stets der offenen Einstellung, dass man beim Kontakt mit Japanern einfach nur man selbst sein sollte. Immerhin sucht doch jeder nur Freunde und es gibt ja keinen Grund zu lügen. Seinerzeit war das offenbar ein Fehler. Das wahre Gesicht ist in Japan nur den engsten Freunden und Bekannten vorbehalten. Vor Fremden wird eine undurchdringliche Maske aufgesetzt.

Am Anfang ist alles toll: Im Wohnheim bin ich etwa die ersten zwei Wochen nach dem Kennenlernen interessant. Die Leute kommen auf mich zu, versuchen Smalltalk zu betreiben, sich zu unterhalten. Jede noch so langweilige Geschichte, die ich auf Lager habe, wird als beeindruckend und faszinierend bezeichnet und ich werde zu diversen Gruppenunternehmungen eingeladen, die dann auch stattfinden. Ich glaube, man komme sich näher, verstehe sich mit den Leuten und hat einen richtigen Freundeskreis.

Plötzlich uninteressant

Gruppenunternehmung in Japan
Es ist ein leichtes, in Japan eine Gruppe für eine Unternehmung zu finden.

Bekannt ist uninteressant! Auftritt Kurzzeitstudenten. Im Wohnheim gibt es nicht nur jene, die wie ich ein Jahr lang bleiben, sondern auch andere Studenten aus allen Ländern, die nur für ein paar Monate bleiben. Mit deren Ankommen werden die Langzeitstudenten wie auf Knopfdruck uninteressant.

So äußert sich Höflichkeit: Die Japaner konzentrieren sich plötzlich ausschließlich auf die Neuankömmlinge. Der Grund ist simpel: das fröhliche auf einen Zugehen und etwas zusammen Unternehmen ist Teil der Höflichkeit und wird von der Gesellschaft erwartet. Darüber hinaus besteht jedoch kein ernsthaftes Interesse, sich näherzukommen.

Die Tatemae schlägt zu: Hier beginnt meine Frustration. Ich versuche eine kleine Reise in ein Aquarium zu organisieren und lade die Bewohner des Wohnheims ein. Plötzlich geschah jedoch etwas merkwürdiges, was ich so noch nicht kannte.

Unbekannter Umgang: Ja heißt Nein

Lerne, Gedanken zu lesen: Anstatt meine Einladungen abzulehnen, sagt man zu. Nur wneige nutzten zumindest die übliche “Ich hab keine Zeit!”-Ausrede. Mein Fehler war hier, dass ich die Zusagen glaubte. In Japan hat das einen eigenen Begriff: “Kuuki wo yomu”, oder übersetzt “Die Atmosphäre lesen”. Und Westler sind verdammt schlecht darin.

Keiner kommt zum Treffpunkt: Zum abgesprochenen Termin gehe ich in den Aufenthaltsraum und werde von einer gähnenden Leere begrüßt. Es lässt sich einfach niemand blicken. Es gibt nicht einmal eine Absage. Das Thema wird nie wieder angesprochen. Denn so verliert keiner sein Gesicht und die Illusion eines guten Zusammenlebens bleibt erhalten.

Plötzlich kommen Einladungen zurück: Aber keine Sorge! wenn dir so etwas passiert, wirst du bereits bei der nächsten Begegnung zurück eingeladen! Du darfst nur auf keinen Fall den Fehler machen und diese Einladung ernst nehmen. Also sag einfach wie toll das ist und wie sehr du dich darauf freust. Stattfinden wird das Treffen sowieso nicht. Und – um es mal eindeutig zu sagen – das geht selbst so manchen Japanern auf den Geist. Aber die Höflichkeit gebietet es. So wie du vielleicht einfach einem Bettler gegenüber ehrlich sein willst, aber dich schlecht fühlst, wenn du es bist.

Das gibt es nicht nur in Japan: An dieser Stelle will ich jedoch fair sein. Denn dieses Verhalten ist offenbar nicht so rein japanisch, wie ich, oder offenbar ein Großteil des Internets, es immer dachte. Im Nachhinein erfuhr ich im Gespräch mit Freunden, dass diese ähnliches auch aus Deutschland kennen. Und die Begrüdnung ist da ebenfalls nur “Das macht man halt so!”

Freundschaft? Nein Danke!

Ich bin nicht allein: Auch die besagten Kurzzeitstudenten bemerken dieses Verhalten nach einigen Wochen. Eine Freundin aus Rumänien erklärt mir: “Die interessieren sich eh nicht für uns.” Unter den Austauschstudenten sind wir uns einig, dass die Ausländer einzig zur Unterhaltung der Japaner da sind und kein Interesse an tiefer gehenden, echten Freundschaften besteht.

Steigende Frustration: Nach einer Weile gehen mir die ewigen Zusagen und das darauf folgende Nicht-Erscheinen ziemlich gewaltig auf die Neven. Doch die Unmöglichkeit abzusagen, nimmt obskure Ausmaße an.

Sag es einfach und wir sind fertig! Auf meine direkte Ansage an eine der Japanerinnen, mir einfach mitzuteilen, wenn sie nichts mit mir zu tun haben will, läuft sie mir über einen Kilometer durch die Stadt hinterher und versichert mir, dass sie unbedingt gut befreundet sein will.

Ich muss für andere Nein sagen: In einem weiteren Fall wird es gar so weit getrieben, dass ich die Eltern einer japanischen Studentin privat kennenlerne, weil diese versucht, von mir eine Absage zu erwirken. In beiden Fällen werde ich jedoch kurz darauf erneut mit dem Ignorieren von Einladungen und kurz gehaltenen Konversationen bestraft. Einen besseren Zeitpunkt von “gemischten Signalen” zu sprechen, gibt es wohl kaum.

Japanische Familie

In Japan ist ehrlich sein unhöflich

Mit Lügen sieht man besser aus: Um das sozial erwartete Verhalten der Tatemae aufrechtzuerhalten werden ohne darüber nachzudenken Aussagen getroffen, die nicht mit den wahren Gedanken der Honne übereinstimmen. Kurz gesagt: es wird gelogen, um gut dazustehen.

Ghosting ist In: Dabei wird nicht einmal vor Liebesbeziehung halt gemacht. Die enden in Japan nicht selten ohne einen klaren Schlussstrich, sondern einfach mit sogenanntem Ghosting. Also indem man sich von heute auf morgen nie wieder beim Partner meldet. Dabei ist es egal, ob es sich um ein kurzes Intermezzo oder eine längjährige Beziehung handelt. Das ist jedoch ebenfalls ein Aspekt, den mittlerweile der ein oder andere auch aus dem Westen kennt.

Für kurze Zeit ist es angenehm: Die Tatemae-Kultur ist der Grund, wieso Touristen und Kurzzeitbesucher Japans die Einwohner stets als sehr umgänglich empfinden. Denn du wirst stets die aufgesetzte Freundlichkeit zu spüren bekommen. Bei kurzfristigen Interaktionen stellt dies kein Problem dar. Ein Postbesuch in Japan ist in etwa wesentlich angenehmer als einer in Deutschland. Bei längerfristigem Miteinanderleben wird es hingegen anstrengend.

Dafür solltest du dir auch meinen Artikel ansehen, der erklärt, wie die interkulturelle Kommunikation in Japan funktioniert!

Soziale Probleme wegen der Tatemae

Psychische Probleme wegen Tatemae? Dieses Verhalten ist ein großes Thema in der japanischen Sozialforschung, das Studien zufolge zu psychologischen Problemen führen kann. Makoto Natsume von der Osaka Shoin Frauenuniversität beschreibt beispielsweise depressive Zustände bei Personen, die lange Zeit ein falsches Lächeln aufsetzen.

Selbst vor Gericht ein Problem: Weiter führe Tatemae gar zu Problemen bei der Strafverfolgung, wie Debitou Arudou bei der Japan Times erklärt. So wird bei Zeugen vor Gericht von vornherein davon ausgegangen, dass sie lügen, wodurch deren Aussagen nichtig werden. Das Rechtssystem Japans an sich ist jedoch noch einmal ein wesentlich größeres Thema.

Wie gut verstehst du andere? Dass die Kultur von “Kuuki wo Yomu” nur sehr schlecht funktioniert, ist sogar wissenschaftlich erwiesen. Im Westen spricht man dabei von der illusion of transparency. Menschen überschätzen sehr häufig, wie gut andere ihre eigenen Gedanken nachvollziehen können. Manchmal funktioniert das natürlich. Viel öfter aber auch nicht.

Lied oder nur Klopfen? Elizabeth Newton findet für ihre Dissertation an der Stanford Universität heraus, dass das Klopfen eines Liedes auf einer Tischplatte von Zuhörern nur als rhythmische Abfolge wahrgenommen wird, während der Klopfer selbst das Lied in seinem Kopf hört. Würde die soziale Interaktion in Japan so funktionieren wie erwünscht, wäre es ein leichtes zu erahnen, welches Lied sich dahinter verbirgt.

Hauptsache der Gesellschaft gefällt’s

In den Zügen und Straßenbahnen Japans wird dir am ehesten auffallen, dass manche Einheimischen auf Abstand gehen.

Das oben eingebettete Video basiert auf diesem Artikel. Die Text-Variante wird jedoch bei Bedarf aktualisiert und erweitert.

Ehrlichkeit ist nicht angesehen: Im Alltag Japans ist Ehrlichkeit scheinbar kein so großes Ideal. Die Tatemae besagt zwar, dass man Ehrlichkeit gut finden soll, weswegen man es anderen gegenüber auch so erklärt. Gleichzeitig existiert der Begriff “Baka Shojiki”, was Wort für Wort übersetzt so viel heißt wie “dumm ehrlich”. Damit wird kritisiert, wenn man seine ernsthafte Meinung äußert, solange diese nicht mit der Erwartungshaltung der Gesellschaft übereinstimmt und somit für Konflikte sorgt.

Jedes Klischee hat einen Grund: Was man sich gerade vor längeren Japan-Aufenthalten klar machen muss ist, dass dieses Verhalten in Japans Kultur die Norm darstellt. Man kann es mit dem Klischee “Jeder Deutsche mag Bier und Fußball!” vergleichen. Es wird nicht auf alle zutreffen, aber wohl auf einen größeren Teil der Gesellschaft.

Schließe dich der Gruppe an! Wenn du in Japan soziale Kontakte suchst, musst du die Tatemae akzeptieren und entsprechend Gefallen an Gruppen-Events finden. Denn das ist deine beste Chance in Japan Kontakte zu knüpfen und auf längere Zeit womöglich auch echte Freundschaften zu finden.

Und plötzlich ist alles ganz anders!

Ich schaffte das Unmögliche: Gleichzeitig solltest du dich aber nicht zu sehr verstellen. Sondern eher eine Art Akzeptanz mitbringen. Nicht für andere, sondern damit du selbst nicht zu frustriert wirst. Denn durch meine dumme Ehrlichkeit schaffte ich auf der anderen Seite auch etwas, was laut Berichten im Internet unmöglich ist: Bei meiner japanischen Schwiegermutter bin ich nicht nur “Der Ausländer”, sondern akzeptiert wie ein Sohn. Mehr dazu erzähl ich dir im Video:

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Beendete die Atombombe den zweiten Weltkrieg in Japan? Sicher ist das nicht.

Die Atombombe – Wirklich Grund für das Kriegsende?

Ein kurzer Überblick über das Friedensdenkmal in Hiroshima und eine geschichtliche Einführung zum Einsatz der Atombombe während des zweiten Weltkrieges. Hierbei stelle ich vor allem in Frage, ob der Abwurf der Atombomben Little Boy über Hiroshima und Fat Man in Nagasaki tatsächlich zum Kriegsende führte, oder mehr dahinter steckt.

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