In Japan ohne Fleisch zu leben ist herausfordernd. Aber es wird besser!

Vegetarisch in Japan: Kein Fleisch ist (k)eine Option

Vegetarische Lebensweisen sind im Westen akzeptiert und es ist möglich, ihnen ohne größere Umstände nachzugehen. In Japan ist der Trend noch nicht angekommen und das sieht man im täglichen Leben: Wer sich vegetarisch ernähren will, ist fast gezwungen selbst zu kochen.

Ich erkläre dir, warum es in Japan so schwer ist, Fleischkonsum zu vermeiden und wie du dich dennoch vegetarisch ernähren kannst, auch ohne jeden einzelnen Tag selbst in der Küche zu stehen.

Wie vegetarisch hätten sie’s gern?

Ein Gericht ohne Fleisch. Das Bedarf in Japan viel Planung und Vorbereitung. Ob es zustande kommt, kann selbst trotz Bestellung Monate im voraus nicht garantiert werden.
Ein Gericht ohne Fleisch. Das Bedarf in Japan viel Planung und Vorbereitung. Ob es zustande kommt, kann selbst trotz Bestellung Monate im voraus nicht garantiert werden.

Die sehr karnivore Lebensweise Japans ist mir bereits häufiger aufgefallen. Aber gut: Dann holt man eben mal das Kochbuch heraus, oder bittet im Restaurant immer darum, das Fleisch aus den Mahlzeiten rauszuhalten. Auf den Gedanken, die Thematik genauer zu beleuchten, kam ich jedoch erst im Oktober 2019 nach einem Erlebnis, das ich so nicht für möglich hielt.

Bei den Planungen für die Hochzeitsfeier mit meiner Frau gingen wir zusammen mit der Agentur den Ablaufplan durch. Dabei ist natürlich auch die Wahl des Essens ein Schwerpunkt. Auf die Ansage, dass ich gerne etwas vegetarisches möchte, kam zunächst die Frage “Wie vegetarisch“ ich lebe, mit der genaueren Nachfrage ob denn Käse und Ei in Ordnung sei. Das wirkt bereits etwas befremdlich. Immerhin wird der Verzicht nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Tierprodukte spezifisch als Vegan bezeichnet.

Vegetarisch, Vegan? Wo ist der Unterschied?

Doch der Begriff hat, obwohl er auch in Japan existiert, dort noch keine allzu weite Verbreitung gefunden. Einen Eindruck davon, wie manch Japaner das Wort “vegetarisch” definiert, liefert der Anime Jojos Bizarre Adventure: Vento Aureo, der im Jahr 2019 ausgestrahlt wurde.

Hier unterhalten sich die Charaktere in einer Szene über dessen Bedeutung und es wird deutlich, dass häufig keine Unterscheidung zwischen “Vegan” und “Vegetarisch” vorgenommen wird. Denn obwohl das Gesprächsthema Vegetarier sind, werden ganz eindeutig Veganer beschrieben.

Was letzten Endes jedoch schockierend war, war die Ansage, dass es “schwer werden könnte” vegetarische Gerichte bereitzustellen. Bei einer mehrere Monate im voraus geplanten, teuren Hochzeitsfeier kann nicht garantiert werden, das Fleisch aus einer Mahlzeit zu lassen? Da schaffen die meisten Lokale mehr, bei denen ich manchmal spontan vorbeigehe.

Das jedenfalls gibt einen guten Anlass, die Thematik mal etwas genauer zu beleuchten. Und hierbei fallen einem sehr viele mysteriöse Gegensätze auf. Angefangen beim Fleischkonsum in Japan selbst. Denn Japan isst gar nicht so viel Fleisch, wie man das beim Anblick der Restaurants und Supermärkte erwartet.

Land der Fleischesser?

Statista.com zufolge verzehrte 2014 ein Japaner im Schnitt zwischen 40 und 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Im Vergleich dazu: In Deutschland lag der Mittelwert bei 80 bis 100 Kilogramm Fleisch pro Person. Die Angabe deckt sich mit den Zahlen von 2009, die auf Wikipedia zu finden sind: Japan verbrauchte demnach 45,9 Kilogramm pro Jahr, während der Wert in Deutschland bei 88,1 Kilogramm lag.

In Japan wird also im Schnitt halb so viel Fleisch gegessen, wie in Deutschland. Eigentlich ganz logisch: In Japan war Fisch immer viel beliebter. Immerhin ist das Land eine Insel im Meer. Viel Platz für Landwirtschaft gibt es nicht. Dennoch wächst der Fleischkonsum seit den 1960er und hat seitdem bereits den Konsum von Fisch eingeholt. Menschen im Land der aufgehenden Sonne essen – Stand 2014 – mehr Fleisch als Fisch.

Fleisch, so weit das Auge reicht

Restaurants in Japan werben im Regelfall mit Fleisch. Alternativen gibt es fast keine.
Restaurants in Japan werben im Regelfall mit Fleisch. Alternativen gibt es fast keine.

Doch dass Japan weniger Fleisch verzehrt als Deutschland, ist bei einem Spaziergang kaum zu glauben: Hier gibt es Steakläden, Läden die sich auf Gyoza genannte mit Fleisch gefüllte Teigtaschen spezialisieren und eine ganze Reihe von Fastfood-Restaurants wie McDonalds und KFC. In den Schaufenstern sind stets Plastiknachbildungen der angebotenen Gerichte zu sehen und egal wo man hinsieht: Es ist mindestens ein Stück Fleisch dabei. Es scheint, als sei es in Japan absolut unmöglich, eine Mahlzeit ohne Fleisch überhaupt nur in Betracht zu ziehen.

In den Supermärkten und Konbinis geht das weiter: Hier stehen Fertiggerichte rum und bei jedem Salat sind einige abgezählte Fleischstücke drin. Sind sie nicht sichtbar, dann ist zumindest Fleischsoße dabei. Es gibt eine regelrechte Abstinenz vegetarischer Lebensmittel. Die Abteilung für “Daily Food” also “Tägliches Essen” unterscheidet sich in keinster Weise von der ebenso vorhandenen Fleischabteilung: Hier werdet ihr keinerlei Grünzeug finden.

Selbst ein Brötchen mit der Beschriftung “Zucchini, Pfeffer und Zwiebel” kann sich dem Fleisch nicht verwehren: Hier ist ebenso ganz unscheinbar auch etwas Schweinefleisch drin. Ihr könnt im Regelfall davon ausgehen, dass der Begriff “Nahrungsmittel” in Japan synonym mit “Fleisch” ist und jegliche Beschreibung nur den Bonus zum Fleisch nennt.

In den seltensten Fällen lässt sich mal ein Gericht finden, wo zumindest auch nach dem zweiten hinsehen kein Fleischstück enthalten ist. Und selbst dann könnt ihr euch nicht wirklich sicher sein.

Dass hier auch Fleisch drin ist, ist eine Selbstverständlichkeit die nicht erwähnt werden muss.
Dass hier auch Fleisch drin ist, ist eine Selbstverständlichkeit die nicht erwähnt werden muss.

Alternativlosigkeit ist das Problem

Hierbei ist nicht einmal der Fleischkonsum als solcher ein Kritikpunkt. Denn obwohl gerade die Herstellung von Rind sehr viel CO2 produziert, ist der Fleischverbrauch Japans ja nur halb so groß wie der Deutschlands. Es fällt viel mehr ins Auge, dass Mahlzeiten ohne Fleisch so selten angeboten werden, dass es schon groteske Ausmaße annimmt. Wenn man im Supermarkt frittierte Auberginen sieht, bei denen das Innere komplett entfernt und durch Fleisch ersetzt wurde, fragt man sich nur noch: Wieso?

Das geht in den Restaurants weiter: Auch hier zählt Fleisch so sehr zum Standard, dass es bei den Beschreibungen der Gerichte nicht einmal erwähnt wird. Da gibt es “Nudeln mit Pilzen und Auberginen”. Was nicht dasteht ist, dass da auch zwei Stücke Hähnchenfleisch drin sind. Die “Pasta mit halb getrockneten Minitomaten und Tomatensoße” enthält ebenso Rindfleisch, das nicht ausgeschrieben ist. Nur auf Nachfrage erfährt man dies und die Bedienung muss es gar erst in der Küche in Erfahrung bringen.

Was können Vegetarier in Japan machen?

Es gibt sie: Die seltenen Restaurants, in denen ihr vegetarisch essen könnt. Sämtliche Bouletten in diesem Bild wurden auf Sojabasis produziert.
Es gibt sie: Die seltenen Restaurants, in denen ihr vegetarisch essen könnt. Sämtliche Bouletten in diesem Bild wurden auf Sojabasis produziert.

Die Möglichkeit selbst zu kochen, ist natürlich immer gegeben. Doch sich jeden Tag aufs neue in die Küche zu stellen kann anstrengend sein und irgendwann kommt mal ein Tag, an dem man darauf einfach keine Lust mehr hat.

Vegetarische Restaurants

Die erste Möglichkeit ist klar, aber schwer zu finden: Vegetarische Restaurants. Auch in Japan existieren die, allerdings muss man stärker nach ihnen suchen und wird bei der Suche meist wohl nur in größeren Städten wie Tokio oder Osaka, in denen viele Touristen unterwegs sind, Erfolg haben. Außerdem sind diese Restaurants preislich etwas weiter oben angeordnet. Aber immerhin: Selbst in Hiroshima oder Kyoto könnt ihr Mahlzeiten finden, die wirklich komplett ohne Fleisch zubereitet sind.

Entsprechende Läden findet ihr auf der Webseite Happycow. Die kührte außerdem das Restaurant Saido in Tokio zum besten veganen der Welt. Zudem könnt ihr hier drei weitere japanische Läden unter den besten 30 Plätzen finden.

Die buddhistische Küche

Ganz traditionell hingegen sind die ursprünglich von den buddhistischen Mönchen entwickelt Gerichte namens Shoujin Ryori. Bei denen handelt es sich um komplett vegane Gerichte ohne Fisch und Fleisch.

Zudem wird auch auf Zutaten mit starken Geruch wie zum Beispiel Knoblauch verzichtet. Ihr werdet sie bei Tempelübernachtungen erhalten und vor allem in Städten wie Kyoto finden können.

Fastfood ohne Fleisch

Simpler ist da die Fastfood-Kette Coco Ichibanya. Seit 2016 bietet die einige rein vegetarische Curry-Gerichte an. Etwas surreal wirkt die Speisekarte aber schon: Für Vegetarier empfohlen ist hier Reis mit Currysoße und nichts dazu.

Logisch: Wenn kein Fleisch drin ist, was könnte man dann auch essen? Grünzeug taugt schließlich nur zur Garnierung des Fleisches! Aber gut: Bessere Mahlzeiten findet man weiter unten auf der Karte, bei denen dann auch das zu erwartende Gemüse dabei ist.

Wer wird Millionär in Japan: Was kann man essen, wenn man kein Fleisch isst? Antwort: Nichts.
Wer wird Millionär in Japan: Was kann man essen, wenn man kein Fleisch isst? Antwort: Nichts.

Sushi gibts auch ohne Fisch

Sushi-Läden: Selbst wenn ihr auch auf Fisch verzichten wollt, haben vor allem große Sushiladen-Ketten etwas für euch. Denn Sushi bedeutet in Japan nicht immer roher Fisch. Die Rollen können mit den verschiedensten Zutaten garniert sein.

So zum Beispiel auch Gurken, Mais, Auberginen oder den Natto genannten fermentierten Sojabohnen. Hier müsst ihr aber bereits aufpassen. Denn schnell sind mal einige Fischteile unter das Gemüse gemischt.

Fleisch ignorieren

Buffets sind eine weitere Möglichkeit: All-You-Can-Eat-Buffets sind in Japan keine Seltenheit. Hier zahlt ihr einmal und schlagt euch dann den Magen voll. Der Vorteil: Ihr stellt eure Gerichte quasi selbst zusammen. So könnt ihr einen Bogen um Fleisch machen. 

Pizza kann auch vegetarisch sein

Eine weitere Möglichkeit sind Pizzerien. Auch in Japan gibt es die. Und auch hier gibt es traditionell einige Pizzen ohne Fleisch, wie zum Beispiel die Arten Margherita oder Vier Käse. Ihr findet sie nicht nur in den Städten selbst, sondern könnt alternativ auch einfach online bestellen.

Nur großteils vegetarisch

Mit Ramen- und Udon-Läden bewegen wir uns langsam in eine Grauzone. Es gibt viele Arten von Udon, in denen in der Tat kein Fleisch drin ist, sondern nur Lauch, Ei, Zwiebeln und ähnliches. Allerdings wird für die Brühe sehr häufig Rind oder Fisch genutzt.

Ob das der Fall ist, lässt sich nur durch Nachfragen herausfinden, was für viele aufgrund der fremden Sprache ein Problem werden könnte. Denn gerade in abgelegeneren Gegenden müsst ihr dafür Japanisch können und selbst in Tokio ist nicht garantiert, dass das Personal in Restaurants ausreichend Englisch kann.

Die Suppen in Japan basieren nicht selten auf Fleischbasis.
Die Suppen in Japan basieren nicht selten auf Fleischbasis.

Einmal Steak ohne Fleisch bitte!

Danach bleibt als letzter Ausweg nur noch eine Chance: Darum bitten, das Fleisch wegzulassen. “Kein Fleisch” bedeutet jedoch, dass Tintenfisch und ähnliches noch beigemischt werden. Also müsst ihr noch seperat darum bitten, auch diesen wegzulassen.

Das geht nicht bei allen Läden. Bei dem für Japan berühmten Okonomiyaki zum Beispiel kann das Fleisch manchmal im Teig selbst drin sein. Außerdem verwenden die meisten Läden Tierfett zum braten.

Schwer, aber nicht unmöglich

Es ist also in der Tat möglich auch in Japan vegetarisch zu leben, allerdings erfordert es etwas mehr Aufwand als in Deutschland. Und im Vergleich zu noch etwa 2015 ist das doch schon ein gutes Stück einfacher geworden. Auch der ferne Osten kann sich dieser Lebensweise nicht vollständig entziehen.

Und die Zukunft verspricht, noch besser zu werden. So hat sich mittlerweile gar eine parlamentarische Gruppe gegründet, die das Leben für Vegetarier und Veganer in Japan einfacher gestalten will. Die wollen ein offizielles Label einführen, an dem man vegetarische Restaurants erkennen kann.

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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