In Japan stößt man als Westler etwas aus der breiten Masse hervor und wird oft durchaus anders behandelt.

Wie viel Rassismus spürt man in Japan als Ausländer?

Wenn man ein Land als Tourist besucht, wird man eher selten mit Rassismus konfrontiert. Wenn man längere Zeit bleibt, bemerkt man ihn hingegen. Doch wie sieht das im immer höflichen Japan aus? Gibt es hier Vorurteile gegenüber Ausländern?

Der Begriff des Rassismus wird häufig unterschiedlich definiert. Für diesen Artikel will ich deswegen zunächst festlegen, dass ich darunter eine negativere oder auch positivere Behandlung aufgrund der Herkunft eines Menschen verstehe. Und beides wird dir definitiv auch in Japan begegnen. Der Grund dafür liegt in der Kultur des Landes.

Wie werden Ausländer angesehen?

Zunächst einmal stellt sich die Frage, wie gerade Westler, die mit ihrem Aussehen doch sehr aus der breiten Masse der Einwohner Japans hervorstechen,  angesehen werden. Im Regelfall gehen die Einheimischen davon aus, dass ein Mensch mit heller Hautfarbe ein sehr extravertierter Amerikaner ist, der definitiv kein Japanisch kann und nicht mit den Gepflogenheiten des Landes vertraut ist.

Auch bei den Gründen für den Japanaufenthalt gibt es Vorurteile. So wird entweder von einer Urlaubsreise ausgegangen oder, sollte der Ausländer in Japan leben, dass er Englischlehrer ist. Alles was davon abweicht, wird die meisten Menschen überraschen.

Japaner nehmen reißaus

Die erste Begegnung mit Rassismus in Japan haben die meisten Besucher des Landes in der Bahn. Nicht nur mir selbst, auch Bekannten fällt auf, dass Japaner sich neben einen setzen wollen, es sich aber im letzten Moment anders überlegen und einen anderen Sitzplatz suchen. Derartiges Verhalten konnte ich zudem auch an anderen Orten, wie etwa Bars beobachten.

Typisch Japanisch ist dieses Verhalten nicht sehr direkt und den genauen Hintergrund dafür kannst du letzten Endes nur erahnen. Da ich mit solcherlei Erfahrungen jedoch nicht alleine bin, sondern auch meine Westler-Freunde mir Gleiches berichten, gehe ich davon aus, dass es in unserer Herkunft begründet ist.

Auch sonst scheinen viele Einwohner zu versuchen, den Kontakt mit Ausländern zu meiden. Und das selbst in Situationen, in denen ihre Position innerhalb der Gesellschaft diesen voraussetzt. In einem Kaufhaus konnte ich so zum Beispiel eine Ausländerin aus dem Westen sehen, die vergaß, ihren Warenkorb im richtigen Geschäft zu bezahlen. Das war kein Diebstahlversuch, sie dachte einfach nur, dass es in dem Kaufhaus eine allgemeine Kasse gibt.

Die Angestellten hielten sie allerdings nicht auf. Viel mehr schienen sie mit der Situation überfordert. Anstatt zu versuchen sie anzusprechen, suchte eine der Kassiererinnen schließlich das Gespräch mit meiner japanischen Frau und bat sie darum, der Ausländerin die Situation zu erklären und zu sagen, wo man die Waren bezahlen muss.

In den Zügen und Straßenbahnen Japans wird dir am ehesten auffallen, dass manche Einheimischen auf Abstand gehen.
In den Zügen und Straßenbahnen Japans wird dir am ehesten auffallen, dass manche Einheimischen auf Abstand gehen.

Regeln ignorieren für Ausländer

Dieses Beispiel verdeutlicht dir bereits eine weitere Seite der Situation: Ausländer können häufig Regeln ignorieren. Das merke ich auch beim Besuch im Postamt. Während meine Frau alle möglichen Hürden nehmen muss, um ein Paket ins Ausland zu schicken, scheint bei mir einfach nicht so genau hingesehen zu werden.

Während einer anderen Situation interviewte ich hingegen jemanden in einem Park und wir gingen dafür auf eine Grasfläche, die man eigentlich nicht betreten darf. Ein Aufseher sah uns dort, und hätte etwas sagen müssen. Statt das zu tun, ignorierte er uns jedoch zunächst und lies uns erst einmal unsere Aufnahme beenden. Erst als wir fertig waren und uns sowieso bereits aufmachten zu gehen, kam er auf uns zu und erklärte uns, dass wir dort nicht sitzen dürfen.

Zugegebenermaßen muss der zweite Fall nicht zwangsläufig mit unserem Aussehen als Westler zu tun haben. Es kann sich auch einfach nur um Tatemae handeln. Es wäre nicht unwahrscheinlich, dass der Aufseher auch Japanern die gleiche Güte gewährt hätte.

Im Postamt Japans geht es als Ausländer manchmal schneller voran.
Im Postamt Japans geht es als Ausländer manchmal schneller voran.

Konfrontation mit der Polizei

Doch nicht immer sind Begegnungen mit voreingenommenen Verhalten so unterschwellig oder positiv. Gerade wer in Japan Fahrrad fährt, wird schnell eine andere Seite kennenlernen. Die Polizei hält nämlich vorzugsweise Ausländer an, die mit dem Fahrrad unterwegs sind unter der Annahme, es sei gestohlen.

Ein ähnliches Erlebnis hörte ich zudem von Freunden, die mit dem Auto in Japan unterwegs waren und einen kleinen Unfall hatten, wegen dem sie die Polizei informieren mussten. Anstatt sich um den Unfall zu kümmern, unterstellten sie ihnen, der ausländische und zudem auch international gültige Führerschein sei eine Fälschung. Jedoch verfolgten die Polizisten ihre Annahme letzten Endes nicht weiter, da sie der Meinung waren, sie könnten sich nicht mit meinen Freunden auf Japanisch unterhalten.

Der Grund: Angst

Hinter einem Großteil des hier beschriebenen Verhaltens, egal ob positiv oder negativ, steht letzten Endes eine gewisse Furcht vieler Japaner davor, Englisch zu sprechen. Und die habe ich in meinem Austauschjahr erleben können.

Für ein Seminar sollte ich einen Vortrag komplett auf Englisch halten, damit die Studierenden einen Eindruck davon erhalten wie es ist, längere Zeit einer Sprache zuzuhören, die sie nicht vollständig beherrschen. Danach sollten sie Fragen stellen.

Bei der Fragerunde waren sie sehr zurückhaltend. Schließlich musste jedoch der Sprecher des Seminars in seiner Vorbildfunktion für den Kurs das Wort an mich richten und somit auf Englisch sprechen. Ein Unterfangen, das ihm sichtlich schwer fiel. Seine Stimme zitterte und er hatte gar Probleme aufgrund der Angst einen klaren Gedanken zu fassen.

Ein Japaner erklärte mir zudem, dass diese Angst und Scham auch der Grund für viele der anderen hier genannten Situationen ist. Im Zug setzen sich viele Japaner zum Beispiel deshalb von Ausländern weg, weil sie davon ausgehen, diese werden ein Gespräch suchen. Und dann müsste man auf Englisch antworten, was dann die hier beschriebene Furcht auslöst.

Smalltalk ist nervig

Auch in eher freundschaftlichen Gesprächen wirst du schnell auf manch kleinere Vorurteile stoßen, die dir beim ersten Mal wohl wenig negativ auffallen werden, die aber auf Dauer einfach relativ nervig werden. Denn du wirst sehr häufig die immer selben Fragen und Aussagen zu hören bekommen, wie zum Beispiel:

  • Wieso bist du nach Japan gekommen?
  • Kannst du Natto essen?
  • Kannst du mir Englisch beibringen?
  • Darf ich deine Haare anfassen?

Unter entsprechend generischen Fragen leiden teilweise sogar Japaner selbst, die mit einem Ausländer beziehungsweise einer Ausländerin zusammen sind. Besonders interessant ist dabei stets, wie man sich kennengelernt hat und welche Sprache man im Alltag spricht.

Andere Probleme in Japan

Dieses Verhalten ist nicht der einzige störende Aspekt im Leben als Ausländer in Japan. Sieben Dinge, die mich besonders nerven, habe ich bereits zuvor aufgelistet.

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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  1. bugfish sagt:

    Interessanter Beitrag 😀

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