Ich habe einen japanischen Barkeeper zur Arbeit in Japan befragt.

Arbeit in Japan: Erfahrungen eines Barkeepers

Lange im Büro bleiben und hinterher mit dem Chef einen trinken gehen. Das ist der Arbeitsalltag vieler Japaner. Doch es gibt noch eine weitere Geschichte. Die der Service-Industrie, die die Anzugträger während ihrem Trinkgelage bedienen. Ich habe mich in das Nachtleben Japans gestürzt um herauszufinden, wie es ist, in einer japanischen Bar zu arbeiten und welche Geschichten die Angestelleten erzählen können.

Das Nachtleben Japans

Um die Frage zu beantworten, bin ich in die Backpacker’s Bar Camel im Zentrum von Hiroshima gegangen. Deren Nachbarn: Glücksspielhallen und Erotikläden. Wenn andere Läden schließen, fängt der Betrieb hier gerade erst an.

Ich merke schnell, dass es sich hierbei um eine sehr ausgelassene Bar handelt. Hier vergisst der Besitzer selbst schon mal, den Laden rechtzeitig zu öffnen. Die perfekte Atmosphäre, um ehrliche Antworten über die Arbeit in einer japanischen Bar zu erhalten und interessante Geschichten zu hören!

Arbeit in Japan bei heimischer Atmosphäre

Heute Abend arbeitet hier der Barkeeper Oo-Chan, der mir freundlicherweise auch erlaubt, dir einen Rundgang durch die Innenräume zu geben. Die Einrichtung ist rustikal und perfekt für jene geeignet, die dem vornehmen High-Society Leben nicht viel abgewinnen können. Dadurch wirkt sie sehr persönlich.

Nach dem kurzen Überblick erklärt sich Oo-Chan dazu bereit, eine Reihe von Fragen rund um die Arbeit in einer japanischen Bar und dem Arbeitsleben des Landes zu beantworten.

Der Barkeeper Oo-Chan berichtet von der Arbeit in Japan.
Der Barkeeper Oo-Chan berichtet von der Arbeit in Japan.

Geschichten aus der Bar

Zu Beginn erfahre ich, dass es auch in Japan nicht immer strikt zugeht und so manche Kuriosität passiert. So erzählt mir Oo-chan davon, wie ein Stammgast einst die Teilzeitkraft schlug und nach Hause ging, nur weil sie diese nicht mochte. Eine andere Kundin hingegen ist plötzlich entsetzt und klebt ihren Ausschnitt mit Klebeband zu, als sie darauf hingewiesen wird, dass dieser etwas tiefere Einblicke gewährt.

Ansonsten läuft es in den Bars Japans jedoch sehr gesittet ab. Schlägereien oder Ähnliches hat der Barkeeper hier noch nicht erlebt. Das Schlimmste, von dem er berichtet, sind unhöfliche Gäste und betrunkene Kunden, die einfach nicht nach Hause gehen wollen.

Auch von den Yakuza – dem organisierten Verbrechen Japans – berichtet er ein wenig. Diese verhalten sich ihm zufolge eher unauffällig. Denn wenn sie in der Öffentlichkeit auffallen und deswegen von der Polizei aufgegriffen werden, wird es problematisch für sie. Deswegen kann er auch nicht genau sagen, ob Mitglieder der Yakuza schonmal die Bar besuchten. Wenn, dann könnten es jedoch maximal die höflichen sein.

Die Backpacker's Bar Camel in Hiroshima, Japan ist sehr gemütlich eingerichtet.
Die Backpacker’s Bar Camel in Hiroshima, Japan ist sehr gemütlich eingerichtet.

Die japanische Arbeitsmoral: gut oder schlecht?

Auf die Arbeitsmoral der Japaner ist der Barkeeper stolz. Er berichtet davon, dass die Service-Kultur des Landes etwas sehr einzigartiges ist, das er so nicht aus anderen Ländern kennt.

Gleichzeitig denkt er auch, dass Japaner zu viel arbeiten. Das sei jedoch etwas, an dem derzeit gearbeitet wird. Die Firmen versuchen, die Arbeitszeiten zu verringern und auch die Angestellten sind sehr daran interessiert. Bis die Umsetzung jedoch wirklich vollzogen werden kann, wird es noch etwas dauern.

Zu seinen eigenen Arbeitszeiten will sich Oo nicht im Detail äußern. Die Bar selbst öffnet jedoch jeden Tag um acht Uhr abends und schließt am Morgen um sieben, ist also täglich elf Stunden lang geöffnet. Er erklärt zudem, dass es eine Art Schichtsystem gibt. Er arbeitet also nicht jeden einzelnen Tag und sagt, dass er über reichlich Freizeit verfügt.

Was halten Japaner von Arbeit im Ausland?

Oo-Chan selbst hat bereits mehr als nur eine Arbeitskultur erlebt, da er im Rahmen eines Working-Holiday bereits in Australien arbeitete. Er findet, dass es im Vergleich mit Japan auch viele gute Aspekte gibt. Allerdings kritisiert er die Vorgehensweise westlicher Kulturen auch.

Dass man da nach Hause geht, sobald die Arbeitszeit rum ist, obwohl es noch etwas zu tun gibt, findet er nicht gut. Denn immerhin muss dann jemand anders die liegengebliebenen Aufgaben erledigen. Er selbst will jedoch nicht nur seinen Kunden behilflich sein, sondern auch seinen Arbeitskollegen.

Positiver sieht er hingegen die zahlreichen Urlaubstage im Ausland. Sein Wunsch ist es, dass man auch in Japan so viel frei nehmen kann, wie es beispielsweise in Frankreich der Fall ist. Kein Wunder: In Japan stehen einem Arbeiter gerade mal 18 Tage Urlaub im Jahr zu. Im Schnitt nehmen sich die meisten Angestellten sogar nur neun Tage frei.

Harte Arbeit für jeden?

Mehr darüber, wie viel die Leute in Japan arbeiten und wieso es einen Ruf als ein Land hat, wo das Arbeitsleben besonders hart ist, erfährst du im folgenden Artikel:

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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