Noch bevor Love Live groß wurde, feierte in Japan die Idolmaster-Reihe große Erfolge bei den hiesigen Otaku. Mit Idolmaster: Starlit Season erschient im Jahr 2021 der neueste Ableger und macht dich wieder zum Manager einer Idolgruppe. Doch die Serie scheint zu vergessen, was sie einst ausmachte.
Was ist ein Idol überhaupt?
Um zu verstehen, worum es in Idolmaster geht, musst du ersteinmal wissen, was genau ein Idol überhaupt ist. Kurz zusammengefasst lassen sie sich in den modernen Zeiten wohl als Influencer bezeichnen, die hauptsächlich über ihr Image, ihr Aussehen und auch ihren Charakter vermarktet werden.
Ihre Karriere startet meist sehr früh bereits im Kindes- oder Teenageralter. Bekannt werden sie durch Musik, Sprecherrollen in Serien und Videospielen aber auch über Auftritte in Fernsehshows und ähnliches. Ihr privates Leben und öffentliches Auftreten wird zudem häufig von ihrer jeweiligen Talentagentur kontrolliert. Die untersagt oftmals etwa Dinge, wie etwa eine romantische Beziehung zu haben.
Idolmaster selbst betritt die Meta-Ebene. Denn obwohl alle verfügbaren Idols des Spiels fiktiv sind, leihnen ihnen dennoch echte Idols ihre Stimme.
Ein Spiel, zwei Gesichter
Idolmaster selbst startete einst in den japanischen Arcade-Hallen und konzentrierte sich stets auf zwei unterschiedliche Aspekte: Der Management-Part und eine Art Dating-Simulation.
In ersterem legst du den Tagesablauf deiner Idols fest. Du bestimmst, ob sie etwa einen bestimmten Job erledigen, oder im Training einen ihrer drei Werte – Aussehen, Gesang und Tanz – verbessern. Zudem gibt es dann noch die Auftritte selbst, in denen du Pop-Musik zuhörst und gleichzeitig auch ein Rhythmus-Spiel spielst.
Abseits des Managements hingegen erfährst du, wie die Mitglieder deiner Gruppe etwas miteinander unternehmen oder triffst dich persönlich mit den Idols, um sie besser kennenzulernen und ihnen bei ihren persönlichen Problemen weiterzuhelfen.
Der Weg zur Starlit Season!
Idolmaster: Starlit Season ändert an diesem Konzept nichts, erzählt jedoch eine neue Geschichte. Als erfolgreicher Produzent kommst du gerade aus Amerika zurück nach Japan und wirst ausgewählt, eine Gruppe zusammenzustellen, die die so genannte Starlit Season gewinnen soll: Ein großes Event, das die beste Idol-Band des Landes kürt.
Um das zu bewältigen, musst du dich gleich um 29 Idols kümmern, die die gesamte Bandbreite der Anime-Klischees abdecken. Von zurüclgezogenen und eher schüchternen Damen bis hin zu den cool auftretenden. Alle haben dabei jedoch eines gemein: Sie haben nicht sonderlich viel Charakter.
Während diesem Unterfangen lernst du zudem ein Mädchen namens Kohaku kennen, die du sogleich in deine Gruppe aufnehmen willst. Allerdings unter einer Bedingung: Deren Mutter verlangt von dir, Kohakus Problem zu erkennen und zudem dabei zu helfen, es zu überwinden.
Idolmaster verliert seinen Charme
Ein Problem hat jedoch nicht nur Kohaku, sondern auch das Spiel selbst: Es versteift sich zu sehr auf die Visual-Novel-Elemente der Serie. Der Management-Part, also das eigentliche Gameplay, kommt hier einfach viel zu kurz.
Die meist Zeit bist du entsprechend mit zahlreichen Story-Events beschäftigt, anstatt deine Idolgruppe aufzubauen. Und wenn es dann mal zum Management kommt, sind deine Entscheidungen stark eingeschränkt.
Denn was du letztendlich machst, ist stets vorgeschrieben: An einem Tag ist immer Training, an einem anderen steht ein Job an und an einem weiteren ist eine Aufführung. Erst sehr spät im Spiel bekommst du hier ein wenig mehr Freiheiten und darfst wirklich wählen, welche der Aufgaben nun dran sind.
Bei den Aufführungen glänzt das Spiel!
Was sich jedoch sehr positiv hervorhebt, sind die Aufführungen selbst. Natürlich musst du eine gewisse Liebe zu JPOP haben, um das Spiel zu genießen. Doch wenn du die hast, dann bietet sich hier ein durchaus interessantes Rhythmus-Minispiel, bei dem du deine Idols in Aktion siehst.
Denn das gesamte Training deiner Idols kommt hier zum tragen. Die gesamte Aufführung über wechseln stets die jeweils aktiven Attribute. Mal wird der Gesangswert der Idols verwendet, mal Tanz, mal Aussehen. Jedem Idol auf der Bühne wird hier eine Taste zugeordnet. Drückst du die, bekommst du Punkte und verringerst gleichzeitig den Multiplikator des jeweiligen Idols. Ebenso erhöht sich jedoch der Multiplikator des Mädchens recht von ihm.
Dazu lädst du die Spezialfertigkeit auf. Ist die voll, kannst du den besonderen Skill von einem Idol aktivieren. Dadurch erhalten etwa alle einen höheren Multiplikator, oder das jeweils aktive Attribut ändert sich. Um die höchste Punktzahl zu erreichen musst du entsprechend durchaus darauf achten, wie du die Idols aufstellst und welche Skills du ihnen gibst.
Diese Events sehen zudem noch richtig gut aus. Auch, wenn du die Aufführung am ehesten in der Wiederholung begutachtest, damit dich nichts aus dem Rhythmus bringt. Dann kannst du den wirklich guten Kamerafahrten und Einstellungen auch viel mehr Aufmerksamkeit widmen.
Nervige Gespräche
Die Unterhaltungen mit den Idols sind hingegen eher frustrierend. Allen voran sind die Charaktere durchaus flach. Ihre gesamte Persönlichkeit dreht sich meist um eine einzige Sache und sie lassen sich mit einem einzigen Satz beschreiben: Yayois Familie ist arm. Ansu mag Süßigkeiten. Kirari ist … einfach nur nervig. Denn sie spricht extrem komisch, und verhält sich extrem künstlich.
Bei den Gesprächen dreht sich letztendlich stets alles darum, dass du eine einzige Antwort geben musst. Doch nur eine ist die beste und gibt dir die meisten Erfahrungspunkte im Skilltree des jeweiligen Idols.
Nur lässt sich selten absehen, was nun die richtige Antwort ist. Manchmal bekommst du ein paar Hinweise darauf. Zu anderen Zeiten hingegen wirst du darum gebeten, eine Süßigkeit zu wählen, die du essen willst. Entscheidest du dich für die falsche Farbe, bekommst du weniger Erfahrungspunkte und damit steht direkt neuladen an.
Kein Platz für Favoriten
Halt. neuladen? Wieso? Kann man nicht einfach weiterspielen? Ja, kannst du. Das Problem ist, dass dich die falsche Entscheidung Zeit kostet. Und die ist knapp. Denn an jedem Monatsende steht eine Pflichtaufführung an, die du gewinnen musst. Und die sind hart.
Sie können gar regelrecht unmöglich werden. Und das vor allem dann, wenn deine Idols nicht genug Skillpunkte besitzen, um ihre Fertigkeiten weit genug auszubauen. Und plötzlich sitzt du nach vielen Stunden Spielzeit da und merkst, dass du dir den Fortschritt komplett verbaut hast.
Das wird besonders frustrierend, weil du so gut wie jeden Monat eine andere Gruppe an Idols trainieren musst. Nämlich die, die für das jeweilige Lied verfügbar sind. Die Auswahl ist nämlich stets begrenzt. Dich einfach nur auf deine Lieblingscharaktere konzentrieren? Das ist einfach nicht möglich.
Medleys sind der Untergang
Das wird besonders dann frustrierend, wenn dich das Spiel plötzlich mit Medleys überrascht. Bei denen brauchst du nämlich genug Idols, um drei Lieder am Stück aufzuführen. Dabei darf kein Idol doppelt auftreten. Und auch hier gilt noch einmal: Nicht jedes Idol kann jedes Lied singen.
Letztendlich brauchst du für jedes Medley 15 so gut wie vollständig vorgegebene Charaktere auf einem hohen Level. Dazu kommt noch, dass du bei diesen Aufführungen noch eine höhere Punktzahl erreichen musst als bei denen, wo deine Gruppe maximal aus fünf Idols besteht.
Die beiden Arten der Vorführungen beißen sich noch zusätzlich. Denn während Medleys letzten Endes verlangen, dass jede der drei Gruppen einen einzigen Wert möglichst hoch hat, musst du die Idols für alle anderen Aufführungen in jedem Wert hochleveln.
Verschenktes Potential
Letztendlich verschenkt Idolmaster: Starlit Season durch seinen sehr linearen Aufbau einfach extrem viel Potential. Du erkennst tief in den Mechaniken verborgen nach wie vor all das, was die Serie groß machte, gleichzeitig gibt es so viele künstliche Hürden und Blockaden, dass das Gameplay in diesem Ableger niemals seinen vollen Reiz entfaltet.
Hier wäre weniger einfach mehr gewesen. Die Story selbst zieht sich extrem in die Länge und kann nur mit einigen durchaus banalen Wendungen aufwarten. Zudem haben die einzelnen Idols einfach nicht genug Charakter, um diese lange Geschichte spannend und abwechslungsreich zu halten.
Auch ein Endgame, in dem du frei produzieren darfst, gibt es nicht. Bist du einmal durch, kannst du diesen Spielstand zwar laden und deine bereits trainieren Idols weiter hochleveln. Jedoch bist du auch in diesem Fall wieder an die Begrenzungen der Story gebunden.
Wenn du wirklich ein Idolmaster-Teil spielen willst, bist du mit einem der älteren Titel besser beraten. Und wenn du die moderne japanische Kultur anderweitig in einem Spiel erleben willst, kannst du einen Blick in die folgende Liste werfen:
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.