Seit den 1990er Jahren hält sich ein Klischee über Japan: Dass du gebrauchte Damenunterwäsche aus dem Automaten ziehen kannst. Das wird auch immer und immer wiederholt. Aber was steckt wirklich dahinter?
Ich habe mich vor Ort auf die Suche nach den Automaten gemacht und erkläre dir, wieso sich die Gerüchte so vehement halten. Denn wie so viele Informationen über Japan sind sie mittlerweile einfach veraltet.
Wo kommt das Gerücht her?
Im Jahr 1993 war etwas, das sich buru-sera nennt, in der Erotikszene Japans sehr beliebt. Buru ist das japanische Wort für “Damenpumphosen”, “sera” hingegen bedeutet “Sailor” und steht hier in abgekürzter Form für die Schulmädchenuniformen, die an vielen japanischen Schulen Standard sind.
Und wo ein Bedarf besteht, dauert es nicht lange, bis Gewerbe aus dem Boden sprießen, die ihn bedienen wollen und sich davon einen Profit versprechen. Davon machten einige jungen Frauen Gebrauch, um ein wenig Geld zu verdienen.
Am frühen Morgen holten sie sich neue Unterwäsche und gingen dann zur Schule. Am Ende des Tages kehrten sie in das Etablissement zurück, das ihnen die getragene Wäsche abkaufte, um sie letztendlich gewinnbringend weiterzuverkaufen.
Die Automaten gab es wirklich!
Der Handel mit gebrauchter Unterwäsche ist also in der Tat kein bloßes Gerücht, sondern existierte wirklich. Es dauerte zudem nicht lange, bis man diesen mit den seinerzeit ebenfalls neu aufkommenden Verkaufsautomaten kombinierte.
Die erste derartige Maschine stellte man im Stadtviertel Chiba auf, das bereits für seine Automaten bekannt war, in denen es Porno-Magazine und Videos gab. Es war also keinesfalls so, dass du beim normalen Spaziergang durch die Stadt darüber gestolpert bist. Sie existierten nur im Rotlichtbezirk.
Aufschrei in Japan sorgt für Abschaffung
Was die Geschichten über diese Unterwäsche-Automaten jedoch gerne auslassen ist, dass Japan dieses Gewerbe ebenfalls nicht für toll und normal hielt. Am 12. September veröffentlichte die Mainichi Daily einen Artikel, der über den Aufschrei berichtete.[1] Anfänglich konnte die Polizei nur nichts dagegen unternehmen, weil es keine Gesetze gab, gegen die diese Automaten verstießen.
Man nutzte jedoch schließlich eines, nach dem Verkäufer von gebrauchter Ware eine Lizenz benötigen. Und bereits am 21. September 1993 erschien ein weiterer Artikel des Daily Yomiuri, der von der Verurteilung von drei Geschäftsleuten berichtete, die gebrauchte Unterwäsche verkauften, weil sie keine Lizenz vorweisen konnten.[2]
Damit endete die Zeit dieser sagenunwobenen Automaten auch schon wieder. Und seit 2004 gibt es zudem ein Gesetz, was den Verkauf von getragener Unterwäsche und Speichel Minderjähriger explizit verbietet. Das hält jedoch selbst 30 Jahre später niemanden davon ab so zu tun, als würden die Automaten noch heute existieren, sich großer Beliebtheit erfreuen und als wären sie ein Pfeiler der japanischen Kultur.
Was ist mit den Videos auf Youtube?
Wenn du nach Japan reist, wirst du immer noch Automaten finden können, an denen du angeblich gebrauchte Damenunterwäsche kaufen kannst. Entsprechend findest du nach wie vor Videos von ihnen auf Youtube. Allerdings sind die heutzutage wohl eher nur noch eine Touristen-Attraktion für all jene, die diese Gerüchte gehört haben.
Denn die Textilien, die du aus diesen bekommst, werden im besten Fall in einem Zustand hergestellt, der sie gebraucht erscheinen lässt. Das zeigt auch die Aufschrift auf diesen Automaten. Denn die sind im Regelfall mit den Worten “スーパーUSED加工” (Super Used Kakou) beschriftet. Und genau das bedeutet, dass sie nur in diesem Zustand fabriziert wurden und in Wirklichkeit neu und ungetragen sind. Im Video zeig ich dir einen Laden, in dem du sie kaufen kannst und was du dabei bekommst:
Es lässt sich auch nicht sagen, wie verbreitet dieser Trend war. Verrückte Geschichten wie diese werden in den Medien einfach viel zu gerne aufgeblasen und größer gemacht, als sie eigentlich sind. Dass Schulmädchenuniformen jedoch damals wie heute stark fetischisiert sind – und zwar weltweit und nicht nur in Japan – lässt sich aber kaum leugnen.
Das ist auch eines der Argumente, die häufiger von Kritikern der Uniformen angebracht werden, um für die Abschaffung der Kleiderordnung an japanischen Schulen zu argumentieren. Entsprechende Bewegungen stoßen Stand 2021 zudem auf immer mehr Zuspruch.
Wieso solche Klischees das Bild Japans prägen
Das Bild Japans wird gerade im Westen von veralteten Informationen und Klischees dominiert. Denn gerade diese wirken häufig so abgedreht, dass die hiesigen Medien sich sehr gerne auf sie konzentrieren und ihre Leser die Aussagen unreflektiert weiter verbreiten.
Das Problem ist jedoch nicht neu, sondern bereits hunderte von Jahren alt. Denn seit der Grenzöffnung Japans im Jahr 1853 wird das Land stets als komplett anders dargestellt. Was genau hinter dieser Mystifizierung steckt und wieso sie nicht funktioniert, findest du im folgenden Artikel heraus:
Quellen
[1] Mainichi Daily News (1993). “‘Bura-Sera’ Vending Machines Stir Local Concern.”
[2] The Daily Yomiuri (1993). “Dealers of Used Female Underwear Charged.” S. 2
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.