Fake-Hochzeiten in Japan

Fake-Hochzeiten in Japan: In der “Kirche” zählt nur die Show!

In Deutschland zählt es stets als ein Argument, in der Kirche zu bleiben, da man sonst nicht christlich heiraten kann. In Japan ist das kein Problem, denn hier haben Firmen ihre Chance gewittert und veranstalten ihre ganz eigenen christliche Hochzeiten, mit denen Gott jedoch wenig zu tun hat.

Ich habe mich mit Stephan unterhalten, der auf derartigen Hochzeiten den Priester spielt und so tiefe Einblicke in den Ablauf und die dahinterstehende Kultur erhalten. Das Gespräch findest du inklusive Rundgang durch einen der Hochzeitsorte auf Youtube:

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Was steckt hinter Japans seltsamer Hochzeitskultur?

Die Ehepaare, die sich bei einer derartigen Hochzeit das Ja-Wort geben, haben in der Vergangenheit im Regelfall bereits standesamtlich geheiratet. Bei der Zeremonie in der “Kirche” geht es nicht um die Trauung vor Gott, sondern nur um das Erlebnis an sich.

Echt ist dabei nichts: Weder Kirche noch Priester. Zwar sind die Räumlichkeiten den christlichen Gotteshäusern nachempfunden, jedoch nicht geweiht. Es handelt sich also nicht um richtige Kirchen. Der Priester wiederum muss nicht einmal gläubig sein, die Konfession spielt auch keine Rolle. Hier ist nur wichtig, dass er dem Klischee eines westlichen Geistlichen entspricht.

Groß wurde dieser Stil der Hochzeiten, nachdem die Eheschließung von Prinzessin Diana und Prinz Charles 1981 weltweit im Fernsehen übertragen wurde. Bei den japanischen Frauen sind sie anscheinend deshalb sehr beliebt, da sie so ein imposantes Brautkleid tragen können, die in Japan immer echte Designerkleider sind.

So läuft die Zeremonie ab

Die Heiratenden haben dabei jedoch nur wenig Zeit, wirklich Spaß an der Feier zu haben. Denn die folgen einem straffen Programm, bei dem kaum Zeit für etwas anderes, als den vorgegeben zeremoniellen Pflichten bleibt.

Wie aufgrund des Vorbilds kaum anders zu erwarten, laufen diese prinzipiell ab wie die üblichen kirchlichen Hochzeiten, die du auch aus dem Westen kennst. Allerdings haben die einzelnen Schritte in diesen Zeremonien in Japan keine echte religiöse Bedeutung. Die Grundelemente sind:

  • Kirchengesang
  • Bibellesung
  • Persönliche Botschaft vom Priester an das Brautpaar
  • Ringübergabe
  • Lüften des Brautschleiers und Kuss
  • Unterzeichnung der Hochzeitsurkunde
  • Erteilung eines Segens

Einen kurzen Eindruck davon kannst du dir in einem Werbespot der St. Raphael Kirche in Hiroshima machen:

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Es dreht sich nicht ums Brautpaar

Im Gegensatz zu den Zeremonien im Westen folgen die Hochzeitsfeiern in Japan einem wesentlich strafferen Programm. Hier steht die Abarbeitung zeremonieller Punkte im Vordergrund. Braut und Bräutigam finden hier im Regelfall kaum Zeit, sich mit ihren Freunden und Verwandten zu unterhalten oder gar etwas zu essen.

Das Brautpaar hat nämlich sehr viel zu tun. Teilweise haben sie zwei, drei oder mehr Events an diesem Tag, zu denen sie sich auch stets aufs Neue umziehen müssen. Hier wird strikt getrennt, welche Gäste gerade anwesend sind. Dadurch sind die Hochzeiten nach christlichen Vorbild in Japan mehr Stress für Braut und Bräutigam, als ein Tag zum genießen.

Was kostet so eine Fake-Hochzeit?

Um ein solches Event zu bekommen, musst du tief in die Tasche greifen. Der Preis für eine Feier mit um die 80 Gäste kostet im Schnitt etwa 25.000 Euro. Die Kosten können jedoch stark nach oben oder unten variieren. Sie sind davon abhängig, in welchem Etablissement man feiert, welchen Plan man nimmt und welche Extras man dazubestellt. Für sein Geld bekommt man:

  • Leihe von Designer-Brautkleid und Smoking
  • Musiker und Sänger
  • Die eigentliche Zeremonie
  • 2-stündiges Festbankett Banquette danach inklusive Zeremonienmeister
  • Videos und Fotos

Die Gäste schenken Geld: Die Kosten trägt das Brautpaar allerdings nicht alleine. Im Durchschnitt bringt jeder der Gäste ein Geschenk von 30.000 Yen (etwa 230 Euro) mit. Je nachdem, in welcher Beziehung man zu dem Paar steht, kann der Betrag aber auch höher ausfallen. Der Chef der Firma, wo der Bräutigam arbeitet, zahlt aufgrund seines Status mehr. Ein Student hingegen kann auch etwas weniger geben.

Der Job des Fake-Priesters

Fake Priester in Japan
Um Fake-Priester in Japan zu werden, musst du das richtige Erscheinungsbild haben.

Die Voraussetzungen für den Priester: Eine besondere Position nimmt bei den Hochzeiten natürlich der Priester – auf Japanisch Bokushi genannt – ein. Er steht, zusammen mit dem Brautpaar, im Zentrum der Zeremonie. Besondere Fähigkeiten muss er dafür nicht vorweisen. Es ist nur wichtig, dass er ein weißer Mann ist, Westler, wenn möglich von nicht zu kleiner Statur ist und die Ausstrahlung eines erfahrenen, älteren Herrn besitzt. Hier müssen Klischees bedient werden, da viele Japaner diese Zeremonien nur aus Filmen kennen.

Japanisch ist von Vorteil: Um diese Arbeit auszuführen, musst du kein Japanisch können. Allerdings sind zumindest grundlegende Kenntnisse von Vorteil. Denn oft gibt es Änderungen in der Planung, für die der Priester mit den anderen Angestellten kommunizieren muss.

Der Lohn für die Arbeit: Mit zwischen 9.000 und 15.000 Yen (etwa 70 und 115 Euro) pro einstündiger Zeremonie erhält der Priester einen durchaus üppigen Lohn. Allerdings sind diese Einsätze auch sehr anspruchsvoll, denn Sorgfalt, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind elementar für diesen Job.

Visum als Priester? Ein Visum kannst du mit dieser Arbeit eher nicht bekommen. Da die Firmen selbst von Aufträgen abhängig sind und saisonalen Schwankungen unterliegen, können sie keine Stunden garantieren. Fake-Priester in Japan arbeiten nur Teilzeit.

Ist das Gotteslästerung?

Bei einer derartigen nachgestellten christlichen Trauung stellt sich natürlich die Frage, ob das nicht Gotteslästerung ist. Auf die Frage ob diese Art einer Show-Hochzeit seiner eigenen katholischen Erziehung wiederspricht, meint Stephan:

Nein, denn ich weiß ja, dass der christliche Hintergrund bei den Japanern nicht vorhanden ist. Ich versuche trotzdem die Zeremonie würdevoll zu vollziehen und dabei gleichzeitig dem Brautpaar ein paar glückliche Momente zu bescheren.

Es muss nicht immer christlich sein

Auch wenn die christlichen Hochzeiten in Japan sehr beliebt sind, sind sie kein Muss. Die eigentliche und rechtlich bindende Hochzeit findet im Rathaus statt, und erfordert im Gegensatz zu Deutschland zudem, dass beide Ehepartner den gleichen Nachnamen annehmen (außer bei internationalen Paaren). Zudem ist es auch möglich, eine shintoistische Feier zu halten.

Denn im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es keine Hauptreligion, die den Alltag
der Japaner dominiert. Viel mehr vermischen sich hier Bräuche und Zeremonien des Buddhismus und Shintoismus. Mehr dazu erfährst du in meinem Artikel zur Religion Japans:

Profilbild von Mathias Dietrich

Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.

Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.

Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.

Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.

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