Japanische Konzerne sind zumindest traditionell nicht dafür bekannt, der geistigen Gesundheit ihrer Angestellten viel Beachtung zu schenken. Die Firma Hiroro in Tokio überrascht deswegen mit einem ganz außergewöhnlichen Konzept.
Hiroro ist im Bereich Fernsehwerbung und Musikvideos zuständig. Und wie der Gründer Shizen Tsurumi über Twitter bekannt gegeben hat, haben die Angestellten hier ein ganz besonderes Recht namens “Oshi Urlaubssystem”. Oshi ist ein Wort, das von Idol-Otaku genutzt wird, um ihren Lieblingssänger zu bezeichnen.
Was genau ein Otaku ist und wie der Begriff in Japan verwendet wird, erkläre ich dir in einer umfangreichen Untersuchung:
Ein außergewöhnliches Urlaubskonzept
Das System erlaubt den Angestellten, Urlaub zu nehmen, wenn einer ihrer Lieblingssänger aufhört oder heiratet. Je nachdem, wie hoch man das jeweilige Idol ansieht, umso mehr Urlaubstage werden einem gegönnt. Schließt der absolute Liebling den Bund der Ehe oder beendet seine Karriere, dürfen die Mitarbeiter bis zu zehn bezahlte Tage frei nehmen. Bei Nummer Zwei oder geringer werden immerhin noch drei Tage gegönnt.
Das System geht zudem noch weiter und erlaubt den Angestellten auch frei zu nehmen, um etwa ein spontanes Konzert oder ein Meet-And-Greet-Event der jeweiligen Favoriten zu besuchen.
Wo kommt die Idee her? Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Art Marketing-Gag. Das System ist absolut ernst gemeint. Der Hiroro-Gründer erklärt, dass zwei Ereignisse ihn dazu brachten, es in seiner Firma einzuführen.
- Einer seiner besten Angestellten war nach der Hochzeit von Sänger und Synchronsprecher Nana Mizuki sehr unkonzentriert und unkooperativ.
- Einen weiteren Ausschlag gab es, als einer seiner Angestellten erklärte, Trauer zu empfinden, nachdem sein Lieblingsidol ihre Karriere beendete.
Diese Aktion mag befremdlich wirken, ergibt jedoch gerade für diese Firma Sinn. Denn in ihrem Leitmotto heißt es:
Nichts motiviert jemanden stärker zu arbeiten, als die Gefühle, die sie für Menschen und Dinge die sie mögen haben.
Depressionen in Japan
In Japan unterliegen geistige Krankheiten nach wie vor einem gewissen Stigma, auch wenn sich die Situation in der modernen Zeit langsam bessert. Im Jahr 2014 gaben in einer Umfrage 50 Prozent der Befragten an, dass sie ihr geistigen Probleme lieber verschweigen. Weitere 40 Prozent erklärten hingegen, dass sie aufgrund ihrer Krankheit soziale Konsequenzen erlitten haben.
Auch wenn der Kurs von Hiroro keine Mehrheit der japanischen Gesellschaft abbildet, ist es durchaus positiv zu sehen, dass zumindest manchen Firmen der Gemütszustand ihrer Angestellten wichtig ist.
Ich bin der Betreiber von Kawaraban und beschäftige mich seit 2007 mit Japan und seiner Sprache.
Ich habe einen Bachelor of Arts in Japanologie erworben und ein Austauschstudium an der Senshu-Universität absolviert.
Seit 2018 lebe ich in Japan und berichte über das Land und mein Leben hier.
Eines meiner Ziele ist es, zukünftigen Generationen bessere Erklärungen zur Sprache zu bieten, als ich sie zur Verfügung hatte.
Arite Berg says:
Spannend, interessant! Gut rüber gebracht. Wieder was dazu gelernt!